Tagesordnungspunkt 26:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz – SoKaSiG) 18/10631
Sehr geehrter Herr Präsident (sehr geehrte Frau Präsidentin),
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir beraten heute den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SOKASiG). Dieser Entwurf aus der Mitte des Parlaments beschäftigt uns, nachdem das Bundesarbeitsgericht am 21. September 2016 in zwei Urteilen über die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Bauhauptgewerbe der Jahre 2008, 2010 und 2014 beschlossen hat.
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, wie das sogenannte 50-Prozent-Quorum, und die persönliche Befassung der zuständigen Ministerin bzw. des zuständigen Ministers, sind die vorher genannten Allgemeinverbindlicherklärungen unwirksam. Der Antrag auf Unwirksamkeit ist von Arbeitgebern gestellt worden, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind, jedoch aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen an die Sozialkasse des Baugewerbes, die SOKA-Bau, verpflichtet sind bzw. waren. Unterstützung fanden diese Klagen auch von Betrieben, die sowohl bauliche als auch nicht-bauliche Dienstleistungen erbringen. Hier besteht stets die Streitfrage ob sie unter die hier in Rede stehende AVE fallen.
Beklagt wurde die Sozialkasse der Bauwirtschaft, die sogenannte SOKA-Bau, eine gemeinsame Einrichtung der drei Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft, der Deutschen Bauindustrie, des Deutschen Baugewerbes und der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt. Diese blickt auf eine lange Tradition zurück, da sie schon 1949 als Urlaubskasse gegründet wurde. Im Jahr 1957 wurde sie um eine Zusatzversorgungskasse erweitert, später noch um die überbetriebliche Ausbildungskasse. Ziel und Aufgaben der SOKA-Bau sind seit ihren Anfängen, Nachteile für die Beschäftigten der Bauwirtschaft in den Bereichen Urlaub, Berufsausbildung und Altersversorgung auszugleichen.
Nun ergibt sich nach den Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts eine für die SOKA-Bau unerwartete Situation mit der Sorge um den weiteren Bestand der Sozialkassenverfahren des Baugewerbes und eine eventuell drohende Insolvenz. Dazu kommt auch die Unklarheit darüber, wie die Rechtsfolgen der gerichtlichen Feststellung einer Unwirksamkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen geregelt sind. Ohne Allgemeinverbindlicherklärungen können Gemeinsame Einrichtungen wie die SOKA-Bau nicht existieren. Die finanzielle Stabilität könnte aufgrund der ausstehenden Sozialkassenbeiträge sowie Rückforderungen ins Wanken geraten und die finanzielle Tragfähigkeit der SOKA-Bau in Zukunft nicht mehr sicher sein.
Unter den Betrieben des Baunebengewerbes wird diese neue Situation etwas anders betrachtet. Dies ist in den Zuschriften, die mich und unsere Fraktion in den letzten Tagen erreichen, klar zu begreifen. Denn viele Betroffene, wie zum Beispiel Elektrohandwerk, Tischler und Schreiner, die nur bedingt mit baulichen Dienstleistungen zu tun haben, sahen sich in der Vergangenheit und sehen sich auch aktuell immer stärker im umfassenden Anspruch der SOKA-Bau aufgenommen. Sie möchten nicht im stark ausgeweiteten Geltungsbereich der Sozialkasse einbezogen werden und verlangen eine deutlichere Abgrenzung der fachlichen und tariflichen Zuständigkeiten zwischen dem Baunebengewerbe und dem Hauptgewerbe. Die baugewerblichen Handwerke müssen, auch wenn sie tarifungebunden sind, wegen der Allgemeinverbindlichkeit, in die Sozialkasse einzahlen. Die baunebengewerblichen Gewerke und ein Großteil der Mischbetriebe sehen dafür aber kein Bedürfnis und fordern schon lange, dass die SOKA-Bau sich auf deren Zuständigkeiten im Bauhauptgewerbe beschränkt. Wenn aber der Tarifvertrag nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt werden darf, müssen tarifungebundene Arbeitgeber sowie Baunebengewerbe und Mischbetriebe keine Beiträge mehr einzahlen.
Wir als Koalitionsfraktion erkennen die besondere Leistung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe an mit den spezifischen Lösungen, die den Beschäftigten der Baubranche mit der Gewährleistung einer Altersversorgung, dem Anspruch auf einen vollen Jahresurlaub und die Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung zugutekommen. Daher verstehen wir die Befürchtungen der SOKA-Bau, mit unzählbaren Rückforderungszahlungen in Milliardenhöhe sowie mit dem Ausfall der laufenden Einzahlungen konfrontiert zu werden. Dass die SOKA-Bau jetzt nach den Beschlüssen des Bundearbeitsgerichtes Sorge vor Überschuldung hat und nach einer Klärung der Rechtsfolgen ruft, können wir nachvollziehen.
Zur Beseitigung dieser Rechtsunsicherheit, aber auch aufgrund des Wegfalls der Rechtsgrundlage durch die Unwirksamkeitserklärung der AVEs, wird nun eine Korrektur durch den Gesetzgeber gefordert.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob eine gesetzliche Regelung hier angebracht ist und dies mit äußerster Vorsicht angehen. Als Gesetzgeber müssen wir zunächst sorgfältig prüfen, ob die Sachlage und ihre Rechtsfolgen tatsächlich nach einer verbindlich durch ein Gesetz angeordnete Lösung ruft.
Erforderlich erscheint mir daher das Augenmerk auf die weiteren Betroffenen zu lenken, nämlich die Betriebe des baunahen Gewerbes und der Mischbetriebe. Für die tarifgebundenen Betriebe des Baugewerbes ändert sich nichts. Für die OT-Betriebe im Baugewerbe ändert sich jetzt zwar etwas, aber hier könnte man es noch am ehesten vertreten, dass sie dem Tarifvertrag zur SOKA-Bau zuzurechnen sind. Bei den baunahen Gewerken und bei den Mischbetrieben ist das jedoch eine äußerst kritische Frage. Und gerade die Loslösung von der SOKA-Bau war ja gerade das Ziel baunahen Gewerke und der Mischbetriebe, die sie mit den gerichtlichen Verfahren verfolgt haben. Hier nun als Gesetzgeber hinzugehen und diese gerichtliche Entscheidungen, die aufgrund der bisherigen Rechtslage ergangen sind, nun rückwirkend für die Vergangenheit wieder aufzuheben und die Situation der Vergangenheit nachträglich als rechtens zu bewerten, erscheint mir äußerst fraglich. Dies muss einer intensiven verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden.
Es ist für mich nachvollziehbar, dass alle durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts positiv betroffenen Unternehmen, Branchen und Bereiche eine nüchterne Wahrnehmung der tariflichen Zuständigkeitsbereiche verlangen. Dies ist in meinen Augen auch ihr gutes Recht.
In diesem Zusammenhang muss auch die vom BAG angesprochene „große Einschränkungsklausel“ in die Überlegungen einbezogen werden.
Die im Moment befürchtete finanzielle Schieflage der SOKA-Bau bis hin zur befürchteten Insolvenz ist bisher noch nicht nachvollziehbar belegt. Daher muss auch dies auf den Prüfstand gestellt werden, da dies auch gerade als Grund eines gesetzgeberischen Handelns angeführt wird.
Hier spielen gewiss auch die möglichen Rückforderungen eine große Rolle. Natürlich müssen wir diese im Rahmen des gesetzgeberischen Handelns berücksichtigen, da wir grundsätzlich ein Interesse an dem Fortbestand der SOKA-Bau haben.
Allerdings muss man dann redlicherweise auch die Frage stellen und beantworten, was mit möglichen Nachzahlungen geschehen soll, die die SOKA-Bau aufgrund eines vom Gesetzgeber erlassenen Rettungsgesetzes einfordern könnte, aber nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes nun nicht zu zahlen wären. Auch hier stellen sich verfassungsrechtliche Fragen.
Mit dieser Aufzählung von Fragen sollen nur einige aufgeworfen werden, obwohl noch weitere aufgeworfen werden müssen. Diese sind im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zu stellen und zu beantworten. Diese müssen zuerst vollumfänglich beantwortet werden, bevor das Verfahren beendet werden kann.
Vor Beendigung des Verfahrens muss in meinen Augen auch geklärt sein, welche Betriebe zur SOKA-Bau zahlen müssen und welche nicht. Bevor dies nicht geklärt ist, ist eine Beendigung des Verfahrens schwierig. Schließlich wurde die Nichtzahlung durch das BAG bestätigt. Bevor diese Entscheidung quasi aufgehoben wird, müssen alle Beteiligten diese Frage geklärt und beantwortet haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.