Tagesordnungspunkt 10:
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales
– zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Wahl von Betriebsräten erleichtern und die betriebliche Interessenvertretung sicherstellen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Katja Keul, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Betriebsrätinnen und Betriebsräte braucht das Land Drucksachen 18/5327, 18/2750, 18/7595 .
Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Unionsfraktion hat jetzt der Kollege Wilfried Oellers das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist nicht nur ein wirtschaftlich starkes Land, sondern wir leben hier auch die weltweit ausgeprägteste Form der Beziehung zwischen Unternehmer und Mitarbeiter. Das ist, auch was die Gesetzgebung betrifft, maßgeblich auf unionsgeführte Regierungen zurückzuführen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie wird getragen von der Tarifautonomie und der betrieblichen Mitbestimmung.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Was hat denn die Tarifautonomie damit zu tun?)
Neben dem erfolgreichen Unternehmertum in Deutschland mit den vielen mittelständischen und familiengeprägten Unternehmen, den Groß- und Kleinbetrieben mit ihren klugen Köpfen sind es aber gerade auch diese beiden Säulen der industriellen Beziehung, die Deutschland und die Menschen zu Wohlstand gebracht haben. Wie wichtig dies für eine erfolgreiche und funktionierende Wirtschaft ist, dafür, wie gut und verlässlich sie funktioniert, das sieht man insbesondere in Krisenzeiten; Bernd Rützel hat es schon angesprochen. Gerade die Erinnerungen an 2009 zeigen, wie wichtig es war, dass man auf diese beiden Säulen zurückgreifen konnte. Gerade diese beiden Säulen waren es, die uns weitgehend schadlos durch die Krise geführt haben, aber vor allen Dingen anschließend noch viel stärker aus der Krise haben herauskommen lassen. Das sehen wir heute insbesondere an dem historischen Tiefststand der Arbeitslosenzahl – circa 2,5 Millionen Arbeitslose – und an der Rekordbeschäftigungszahl.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
In dieser Beziehung ist es wichtig, dass Verständnis für die Situation des jeweils anderen aufgebracht wird und dass Lösungen gefunden werden, die die Interessen beider Seiten berücksichtigen. Das ist natürlich nicht immer einfach. Es führt zu intensiven und kontroversen Diskussionen. Schließlich wollen beide Seiten vorankommen: Die Unternehmer wollen auf der einen Seite bestimmte Vorstellungen umsetzen, wie man den Betrieb erfolgreich weiterentwickeln kann. Auf der anderen Seite möchten die Mitarbeiter eine Teilhabe an den Erfolgen erhalten, insbesondere aber auch in bestimmten Angelegenheiten mitreden können, Einfluss nehmen können und Ideen einbringen können. Wichtig erscheint mir in diesem Verhältnis, dass beide Seiten bei ihrem Handeln stets im Auge behalten, was der jeweils andere tut. Da, wo es funktioniert, funktioniert es wirklich richtig gut. Dort sind auch die Betriebe erfolgreich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernd Rützel [SPD])
Natürlich ist es wünschenswert, dass von diesem erfolgreichen Modell, so gut es geht und so viel es geht, Gebrauch gemacht wird. Die Beschäftigtenzahlen, die durch die heute in Rede stehenden Betriebsräte vertreten werden, sind, wenn man die letzten 15 Jahre betrachtet, leider leicht rückläufig. Dabei ist festzustellen, dass mit zunehmender Betriebsgröße der Organisationsgrad zunimmt. Kleinere Betriebe – das verwundert natürlich nicht – haben oft keinen so großen Organisationsgrad. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass dort engerer Kontakt zu dem Unternehmen besteht und dass das Näheverhältnis dazu führt, dass Probleme konkreter angegangen werden.
Nicht unerwähnt bleiben soll auch, dass es neben den Betriebsräten auch weitere Einrichtungen gibt, wie zum Beispiel die Schwerbehindertenvertretung oder die Frauenbeauftragten in Unternehmen, die Interessen wahrnehmen. Sicherlich ist zu berücksichtigen, dass die Mitbestimmung in den unterschiedlichsten Branchen auch unterschiedlich stark verankert ist. Das hat aber auch zum Teil historische Gründe. Zu betonen ist allerdings, dass die Rechte der Betriebsräte im Betriebsverfassungsgesetz umfassend geregelt sind. Bereits ab fünf Mitarbeitern kann ein Betriebsrat gegründet werden. Er hat dann umfangreiche Rechte wie Unterrichtungsrechte, Anhörungsrechte, Informationsrechte, Mitbestimmungsrechte, Beratungsrechte usw. Sie beziehen sich nicht nur auf Personalangelegenheiten, sondern unter anderem auch auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen. Betriebsräte genießen auch einen speziellen Kündigungsschutz. Deswegen kann ich das Beispiel, das du, Bernd, zitiert hast, nicht nachvollziehen; aber das scheint es ja zu geben.
(Bernd Rützel [SPD]: Leider! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber das sind Anwälte! Das ist Ihre Berufsgruppe!)
Zu erwähnen ist, dass in dem Gesetzespaket zu den Werkverträgen und zur Zeitarbeit die Informationsrechte der Betriebsräte konkretisiert worden sind.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es doch gar nicht!)
Darüber hinaus erlaube ich mir auch, darauf hinzuweisen, dass wir heute Morgen mit dem Bundesteilhabegesetz auch die Rechte der Schwerbehindertenvertretungen gestärkt haben. Das ist sicher ein anderes Thema,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
aber ich möchte es trotzdem an dieser Stelle erwähnt haben.
Insgesamt denke ich, dass die derzeitige Rechtslage umfangreich ist und viele Schutzmechanismen hat. Sie stellt ein ausgewogenes Konstrukt dar. Schaue ich mir die Anträge an, die heute zu diskutieren sind, so möchte ich dazu sagen, dass sie entweder nicht nötig – ich erläutere das gleich näher – oder vielleicht etwas unverhältnismäßig sind.
Ich komme zu dem Beispiel, dass Mitglieder in Wahlvorständen und Beschäftigte, die erstmals die Wahl eines Betriebsrats einleiten wollen, dem Schutz des § 119 Betriebsverfassungsgesetz unterstellt werden sollen. Hier geht es um die Ahndung von Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder. Nach meiner Auffassung haben wir an dieser Stelle eine Regelung, wenn wir § 20 Betriebsverfassungsgesetz mit § 119 Betriebsverfassungsgesetz in Verbindung bringen.
Eine weitere Forderung ist, befristet Beschäftigte, die in einen Betriebsrat gewählt werden, dem umfassenden Schutz des § 78a Betriebsverfassungsgesetz zu unterstellen. Das hätte zur Konsequenz, dass aus einem befristeten Arbeitsverhältnis im Ergebnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis werden würde. Das allerdings verstößt gegen § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz – für die Zuhörer mag das alles jetzt sehr juristisch sein, aber ich bin nun einmal Jurist –, in dem geregelt ist, dass Betriebsratsmitglieder weder benachteiligt, aber auch nicht bevorteilt werden dürfen. Wenn jemand, der befristet beschäftigt ist, in den Betriebsrat gewählt wird und dann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bekommt, ist das eine Bevorteilung dieser Person, was zumindest nach dieser Norm nicht zulässig ist.
Dann müsste man konsequenterweise hingehen und diese Norm auch abschaffen, aber das fordern Sie hier nicht.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum geht es dann bei Auszubildenden?)
Deswegen ist der Antrag an dieser Stelle etwas unschlüssig.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie haben ein Demokratieverständnis, das ist unglaublich!)
Dabei sei auch erwähnt, dass man, wenn man eine solche Forderung stellt, konsequent sein muss und keine Rosinenpickerei betreiben sollte.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Darüber hinaus werden weitere Kündigungsschutzrechte verlangt. Ich habe eben erwähnt, dass der Kündigungsschutz für Betriebsräte eigentlich schon umfassend ist.
Außerdem wird eine Meldepflicht bei Verstößen gefordert. Da soll eine entsprechende Einrichtung geschaffen werden, bei der sie dann gemeldet werden sollen. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass sämtliche Verstöße, die im Ergebnis festgestellt werden, natürlich auch gerichtlich festgestellt werden müssen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)
– Doch. – Die Verhandlungen sind öffentlich. Deswegen hat jeder im Ergebnis Zugang zu den Entscheidungen, sodass ich denke, dass eine Meldepflicht an dieser Stelle nicht nötig ist. – Daher lehnen wir die Anträge ab.
Abschließend möchte ich vielleicht noch folgende Anmerkung machen: Auch wir von der Unionsfraktion sind der Auffassung, dass es sehr wünschenswert ist, wenn wir eine hohe Zahl von Betriebsräten haben. Das haben wir auch nie in Abrede gestellt. Aber es muss im Ergebnis auch die Entscheidung der Mitarbeiterschaft eines Unternehmens sein, ob sie es machen will oder nicht.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Es darf nur nicht behindert werden! Darum geht es! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Es steht nirgendwo was anderes!)
Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Zitate aus der letzten Debatte nennen. Da wurde zum Beispiel gesagt – ich zitiere –: „Nur mitbestimmte Arbeit ist gute Arbeit.“ Ich persönlich würde das nicht unterschreiben, weil man damit der Freiheit der Mitarbeiterschaft bei der Entscheidung darüber, ob man einen Betriebsrat gründet, doch etwas widerspricht. Darüber hinaus wurde in der letzten Sitzung – es wurde heute nicht erwähnt, aber ich erwähne es trotzdem – „eine kämpferische Mitbestimmung in den Betrieben“ gefordert. Da muss ich sagen: Das sind Formulierungen, die eher auf Konfrontation ausgerichtet sind und so ein bisschen zum Klassenkampf aufrufen. Ich finde, in solch einer Diskussion und bei solch einem sensiblen Thema, vor allen Dingen bei solch einem erfolgreichen Modell sollten wir bei der Wortwahl doch etwas behutsamer vorgehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt aber auch andere Stimmen! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Was machen wir denn gegen Union Busting? Was machen wir dagegen?)
Im Ergebnis darf ich feststellen, dass wir zurzeit Rekordzahlen am Arbeitsmarkt haben, Rekordbeschäftigtenzahlen haben, geringe Arbeitslosenzahlen haben. Dies ist maßgeblich auf das hier in Rede stehende Modell zurückzuführen. Deswegen sollten wir es bei der derzeitigen Rechtslage belassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Mit der ökonomischen Entwicklung hat das nichts zu tun!)
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