Heinsberger Zeitung, 10.12.2019
Text und Foto: Daniel Gerhards
Der Verkehr rollt seit gestern über die Ortsumgehung Wassenberg. Umbau der Innenstadt geht ab Januar weiter.
WASSENBERG Eine Fahrt von Orsbeck nach Wildenrath ist zuweilen kein Vergnügen. Weder für die Autofahrer, noch für die Wassenberger, die in der Innenstadt leben. Wer mitten durch den Ortskern fährt, den kann das schon mal ein paar Nerven kosten. Gleichzeitig ächzt die Stadt unter den 11.000 Fahrzeugen, die täglich über die B221 durch die Innenstadt fahren. Zumindest war das bisher so. Gestern hat NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) die B221n, die Ortsumgehung Wassenberg, freigegeben.
50 Jahre gewartet
Warum die Straße so wichtig ist: In Wassenbergs Innenstadt fahren zu viele Autos. Wir haben den Test gemacht und sind durch Wassenberg gefahren. Start ist an der Kreuzung von B221 und L117. Die Ampel springt auf Grün. Wir fahren los. Und kommen erstaunlich gut voran. Das liegt vielleicht daran, dass wir um die Mittagszeit unterwegs sind. Wir rollen gemächlich über die Heinsberger und Graf-Gerhard-Straße. Was dann folgt, lässt jedoch erahnen, wie viel langsamer es dort im Berufsverkehr zugeht.
Die Freigabe der Ortsumgehung hat man in Wassenberg herbeigesehnt. Manche sagen, dass sie schon 50 Jahre auf die Straße warten. Das Linienbestimmungsverfahren für die Straße hat 1978 stattgefunden. Gebaut wurde sie in den vergangenen vier Jahren. Eigentlich hätten es drei Jahre Bauzeit sein sollen. Aber es gab Schwierigkeiten mit der Bodenbeschaffenheit und ein paar andere Klippen, die es zu umschiffen galt. Also verzögerte sich die Freigabe um ziemlich genau ein Jahr.
In der Innenstadt läuft der Verkehr jetzt zäh. An der Bushaltestelle an der Kirchstraße hält ein Bus. Dahinter bildet sich eine längere Schlange. Als wir ankommen, rollt der Bus schon wieder langsam an. Also keine echte Verzögerung. Im Auto hinter uns gestikulieren Fahrerin und Beifahrer ziemlich wild. Was sie so aufregt? Der Verkehr? Das lässt sich nicht klären.
Die Ortsumgehung Wassenberg beginnt in Wildenrath. Dort schließt sie sich an eine weitere Umgehungsstraße an. Sie verläuft in Richtung Süden zur L19. Dann geht es weiter durch die Myhler Schweiz zur L117. Dort endet die Umgehungsstraße ziemlich abrupt. Verkehrsminister Wüst sagt, dass es von dort zügig mit der Ortsumgehung Unterbruch weitergehen soll. Wann? „Ich werde einen Teufel tun, Ihnen was dazu zu sagen“, sagt er. Man befinde sich mitten in der Planfeststellung. Immerhin.
Auf der Kirchstraße geht es für uns langsam weiter durch die Wassenberger City. Ein Autofahrer lässt eine Frau mit Kind über die Straße. Für manch ungeduldigen Fahrer mag das eine glückliche Fügung sein, denn ein paar Meter weiter steht rechts am Straßenrand ein Kastenwagen mit einer mobilen Blitze im Kofferraum.
Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich die Autofahrer daran gewöhnt haben, dass sie über die Ortsumgehung um Wassenberg herum fahren können. Trotzdem sollte sich die Situation nun sukzessive verbessern. Der Durchgangsverkehr soll um 60 Prozent abnehmen. Besonders der Schwerlastverkehr soll demnächst draußen bleiben. Minister Wüst drückt das so aus: „Verkehr raus, Lebensqualität rein.“ Das habe er in seiner Heimat auch mal erlebt. Als die neue Umgehungsstraße da war, wurden auch die Kirchlorbeerhecken wieder kleiner. „Dann sieht man seinen Nachbarn auch wieder“, sagt Wüst.
Kosten: 33,886 Millionen Euro
Als Wüst das sagt, steht er auf einer kleinen Bühne, die in Wildenrath am Beginn der Ortsumgehung Wassenberg steht. Christoph Jansen, Leiter der Regionalniederlassung Niederrhein von Straßen NRW, hat dort elf Ehrengäste begrüßt. Aus dem Bundesministerium, dem Landesministerium, aus dem Bundestag und dem Landtag, aus dem Kreishaus und den Rathäusern. Ein Band ist über die Straße gespannt, die Politiker sollen es in ein paar Minuten zerschneiden. An der Bühne, auf der Wüst steht und über das viele Geld redet, das die Landregierung in die Verkehrsinfrastruktur investiert, hängt ein Plakat. Darauf stehen einige Infos zur B221n, auch zu den Kosten. Die Zahl, die auf das Plakat gedruckt wurde, ist überklebt. Jetzt steht da: 33,886 Millionen Euro. Auf den letzten Metern ist die Straße noch mal etwas teurer geworden. Bei Baubeginn war man von 29,9 Millionen Euro ausgegangen.
Für die Stadt Wassenberg geht das Bauen nun übrigens weiter: Im Januar soll der Umbau der Graf-Gerhard-Straße fortgesetzt werden. Voraussetzung dafür war die Freigabe der Ortsumgehung. Den ersten Bauabschnitt hat die Stadt bereits während des Baus der Umgehungsstraße umsetzen können. Nun soll die Aufwertung des Ortskerns fortgeführt werden.
Unsere berufsverkehrfreie Fahrt durch Wassenberg hat von der Ampel an der Kreuzung von B221 und L117 bis zum Kreisverkehr am Wegberger Oval 7:48 Minuten gedauert. Fast acht Minuten für 4,6 Kilometer. Knapp acht Minuten die Autofahrern und Anwohnern ganz schön an den Nerven zehren können.