Rheinische Post vom 06.12.2022
Text: Christos Pasvantis
Bild: Philipp Schaffranek
Kreis Heinsberg · Mit dem neuen Nahverkehrsplan geht der Kreis Heinsberg den Ausbau von barrierefreien Haltestellen an. Das dauert allerdings noch viele Jahre. Der Erkelenzer Behindertenbeauftragte kritisiert den langsamen Umbau.
Auf dem Weg zu einer besseren Erreichbarkeit des Busverkehrs für alle Menschen hat der Kreis Heinsberg in diesem Jahr einen wichtigen Schritt getan. Mit der Entwicklung eines neuen Nahverkehrsplans ist der Weg zum barrierefreien Umbau der Bushaltestellen nun frei. Das Problem an der Sache: Der Plan kommt viele Jahre zu spät. Das schon vor knapp zehn Jahren im Januar 2013 auf Bundesebene in Kraft getretene neue Personenbeförderungsgesetz hat den Kreisen und kreisfreien Städten nämlich bis zum Jahr 2022 Zeit gegeben, eine „vollständige Barrierefreiheit“ im ÖPNV zu erreichen. Davon ist der Kreis Heinsberg genau wie die allermeisten anderen Kreise noch viele Jahre entfernt.
Denn nachdem über viele Jahre so gut wie gar keine Bemühungen zum Erreichen dieses Ziels angestrengt worden waren, befindet sich der neue Nahverkehrsplan gerade mal in der Entwicklung. Bis er tatsächlich in Kraft tritt, könnten noch einige Monate vergehen – und der tatsächliche Umbau wird wohl noch viele Jahre dauern.
Andreas Ullmann, ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter der Stadt Erkelenz, zählte Ende Oktober zu den Teilnehmern eines Treffens beim Verkehrsunternehmen Westverkehr, bei dem auch die Fortschritte in Sachen Barrierefreiheit Thema waren. „Ich bin froh, dass die Umsetzung der Vorgaben zur Barrierefreiheit im ÖPNV jetzt endlich Formen annimmt. Bis dann aber Umbaumaßnahmen an völlig ungeeigneten Haltestellen erfolgen, werden noch einige Jahre ins Land gehen“, sagt er und verweist auf die dazu nötigen Ausschreibungen, Anträge und Fördermittelbewilligungen – allesamt langwierige Prozesse. Ullmann mutmaßt, dass man sich bis zu einer flächendeckenden Umsetzung in den 2030er-Jahren befinden könnte.
Ein Update gab in der jüngsten Sitzung des Kreis-Verkehrsausschusses Ralf Dick aus der Kreisverwaltung. Zunächst haben in diesem Jahr in einem Kataster die weit mehr als 1000 Haltestellen im Kreis mitsamt ihrem aktuellen Zustand erfasst werden müssen. „Das war eine wahre Sisyphusarbeit bei der Masse der Haltestellen“, sagte Dick. Nun werde in den kommenden Jahren daran gearbeitet, sukzessive Haltestellen umzubauen. Es werde aber auch einige Fälle geben, in denen ein barrierefreier Umbau aufgrund der Gegebenheiten vor Ort nicht umsetzbar sein. Zum Beispiel an Haltestellen mitten auf dem Feld oder in engen Dörfern, wo der Platz für einen vernünftigen Ausbau nicht vorhanden ist. Dick verweist aber auch auf den bereits vorhandenen Multibus, der ohnehin barrierefrei sei.
Vorgenommen hat sich der Kreis mit der Westverkehr auch, eine bessere Orientierung für Sehbehinderte zu ermöglichen. Etwa durch regelmäßige automatische Ansagen an Haltestellen. Das habe man teilweise bereits getestet und noch Probleme entdeckt: „In Geilenkirchen am Markt ist es beispielsweise so laut, dass man die Ansagen gar nicht hört.“ Man wolle sie ja auch nicht zu laut einstellen, sonst könnten sich Anwohner schnell gestört fühlen.
Mehr Tempo beim Umbau der Haltestellen wünscht sich auch der Heinsberger CDU-Bundestagsabgeordnete Wilfried Oellers. „Man muss feststellen, dass nahezu alle Kommunen die gesetzte Frist nicht eingehalten haben“, sagt Oellers, der Beauftragter der Unionsfraktion für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist. Man befinde sich aber auf dem Weg der Umsetzung. Vor allem mit Blick auf die Fülle der Maßnahmen sei es ein großer Aufwand, „Barrierefreiheit in bestehenden Systemen nachträglich einzubauen, so wie in einem seit Jahrzehnten aufgebauten ÖPNV. Aber man muss sich auf den Weg machen und die Barrierefreiheit umsetzen.“
In Bezug auf eine Umsetzung um das Jahr 2030 sagte Wilfried Oellers: „Wenn 2030 als Ziel lang erscheinen mag, setzen sich andere weitaus langfristigere Ziele. Berlin zum Beispiel bis 2035, andere noch darüber hinaus.“