Heinsberger Zeitung vom 02.12.2022
Text und Bild: Daniel Gerhards
ERKELENZ Während Wilfried Oellers im Bundestag über die Perspektiven für den Kreis Heinsberg spricht, kritisieren Kohlegegner die Beschlüsse. Dabei stützen sie sich auf eine neue Studie.
Während Umweltverbände, Kohlegegner und Klimaaktivisten noch für den Erhalt von Lützerath kämpfen, hat der Heinsberger Bundestagsabgeordnete Wilfried Oellers (CDU) den Blick in einer Bundestagsdebatte zum vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier nach vorn gerichtet. Oellers betonte in Berlin die Herausforderungen für das Revier und den Kreis Heinsberg.
Zentral sei dabei unter anderem der Strukturwandel. „Wenn der Kohleausstieg um acht Jahre vorverlegt wird, so muss der Strukturwandel entsprechend beschleunigt werden“, sagte Oellers. Der ursprüngliche Gedanke, „zuerst neue Arbeitsplätze schaffen, bevor bestehende Arbeitsplätze wegfallen“, müsse weiterhin gelten. „Es darf nicht zu einem Strukturbruch kommen“, so Oellers.
Das politische Spektrum im Kreis Heinsberg sei parteiübergreifend immer gegen den Tagebau Garzweiler gewesen, „weil er mit dem Verlust von Heimat, von besten landwirtschaftlichen Böden, von Naturraum und nach den ursprünglichen Planungen mit dem Verlust von einem Drittel der Fläche des Gebiets der Stadt Erkelenz verbunden war“, sagte Oellers. Nach den neuen Plänen fällt dieser Verlust für die Stadt Erkelenz jedoch wesentlich geringer aus. „Alleine Lützerath wird dem Tagebau noch weichen. Die Dörfer Keyenberg, Oberwestrich, Unterwestrich, Kuckum und Berverarth werden nicht abgebaggert. Auch der Ort Holzweiler konnte durch eine vorherige Entscheidung erhalten bleiben. Schöne historische Höfe wie der Eggerather Hof, Roitzerhof und Weyerhof bleiben erhalten. Dem Ort Kaulhausen bleibt eine jahrelange Tagebaurandlage erspart. Darüber freue ich mich sehr“, sagte Oellers.
Das kohlekritische Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ kritisiert derweil die Änderung des Kohleausstiegsgesetz, die der Bundestag nun beschlossen hat, und verweist dabei auf eine aktuelle Studie von Aurora Energy Research, die zeige, dass die CO2-Emissionen durch den neuen Ausstiegspfad zunehmen. Durch die Gesetzesänderung würden die Kraftwerksblöcke Neurath D und E bis mindestens März 2024, möglicherweise sogar März 2025 am Netz bleiben. Eigentlich hätten sie Ende 2022 vom Netz gehen sollen. Die Aurora-Studie komme zu dem Ergebnis, dass der Kohleausstieg „marktgetrieben auch ohne ordnungspolitische Eingriffe der Regierung“ bis 2030 gekommen wäre.
Wenn die Kohlekraftwerke zurückgeholt werden, führe das zu einer Steigerung der Emissionen in Deutschland um 61 Millionen Tonnen CO2 von 2022 bis 2024, zitiert das Bündnis das Aurora-Institut. Aus der Studie ergebe sich, dass die Kohleverstromung nach 2030 allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr lohnend sei. Und so bringe das politisch beschlossene Vorziehen des Ausstiegs auf 2030 keine Senkung der Emissionen. Das Argument der Kritiker ist klar: Der vorgezogene Kohleausstieg ist eine Mogelpackung. „Das Gesetz spart kein einziges Gramm CO2 ein und zeugt von klimapolitischem Totalversagen. Selbst der freie Markt hätte den Kohleausstieg schneller hinbekommen als die Ampel-Regierung“, kritisiert Dorothee Häußermann von „Alle Dörfer bleiben“.
Die Auroa-Studie zeige zudem, dass die Kohle unter Lützerath aller Wahrscheinlichkeit nach zur Sicherstellung der Energieversorgung nicht benötigt würde. Der Bedarf würde bis 2030 maximal 234 Millionen Tonnen Kohle betragen, während laut Gutachten der NRW-Landesregierung bei einem Erhalt von Lützerath noch 260 Millionen Tonnen Kohle förderbar wären. Daraus leitet das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ eine erneute Forderung nach einem Moratorium, also einem Einfrieren des Status quo, für Lützerath ab.
Wilfried Oellers lenkt die Aufmerksamkeit in der Bundestagsdebatte jedoch auf die fünf Dörfer um Keyenberg, die nun vor ganz eigenen Herausforderungen stehen. Die Dörfer befinden sich seit 2016/2017 in der Umsiedlung. Etwa 90 Prozent der Bewohner sind entweder schon in das neue Dorf im Erkelenzer Norden umgezogen oder befinden sich gerade im Umsiedlungsprozess. „Das gesellschaftliche Leben und Vereinsleben findet bereits in den neuen Dörfern statt. Die allermeisten Gebäude in den Alt-Dörfern stehen seit langem leer und sind unterwohnt. Bund und das Land NRW müssen hier finanziell helfen, da es für diese Fragen kein Budget gibt. Die Stadt Erkelenz braucht zügig Planungssicherheit, damit sie die Revitalisierung gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln kann“, fordert Oellers.
Es gelte, sehr behutsam mit den Interessen, Befindlichkeiten und Gefühlen der Menschen umzugehen. „Sie haben viel durchlebt und durchlitten. Sie sind umgesiedelt, obwohl das nach heutiger Entwicklung nicht nötig gewesen wäre. Manche wollen jetzt, dass ihr Haus auch abgerissen wird. Manche wollen ihr Haus zurückhaben, obwohl es unterwohnt ist. Manche wollen trotzdem umsiedeln, obwohl sie bleiben könnten. Manche wollen bleiben, obwohl viele andere weggezogen sind“, schilderte Oellers. Bei dieser Frage sei höchste Sensibilität gefragt.