Rheinische Post vom 14.12.2020
Text: Daniela Giess
Foto: Ruth Klapproth
Erkelenz Bürgermeister Stephan Muckel begrüßte gemeinsam mit Tochter Nora (7) den ersten Schnellzug aus Berlin. Bundestagsabgeordneter Wilfried Oellers nutzte die Direktverbindung an die Spree bereits – und ist begeistert.
Gerd Voormanns hat sich seine Kamera umgehängt. Den historischen Moment des ersten Halts des ICE aus Berlin möchte der Erkelenzer unbedingt festhalten. Neben ihm steht am Sonntagabend kurz nach 19 Uhr seine Ehefrau Petra. Arnold Houf kommt dazu, der katholische Pfarrer aus Heinsberg-Kirchhoven, wie Voormanns bekennender Eisenbahn-Fan, wie er schmunzelnd einräumt. Die beiden Männer verbindet eine rund 60-jährige Freundschaft. Aus der Grundschule kennen sie sich schon. „1960 wurden wir zusammen eingeschult“, erinnert sich Voormanns, um dann Position zu beziehen für die erwartete Ankunft des weißen Schnellzugs und für die optimalen Belichtungsverhältnisse zu sorgen.
Es ist kalt auf Gleis 1 im Erkelenzer Bahnhof. Nur wenige Reisende warten auf ihre Verbindung. Ein Bundeswehrsoldat in Uniform verabschiedet sich von seiner Freundin, einige Schaulustige blicken erwartungsvoll auf die große Anzeigentafel, die den ICE 1548 nach Aachen im drittkleinsten NRW-Ort mit ICE-Halt ankündigt. Im Berliner Ostbahnhof ist der Zug mittags gestartet, zu DDR-Zeiten als Hauptbahnhof infrastrukturelles Aushängeschild für Ostberlin. Über den neuen Hauptbahnhof der Spreemetropole, Berlin-Spandau, Hannover, das Ruhrgebiet und Düsseldorf pendelt der Intercity-Express nun täglich über Erkelenz nach Aachen. Auch frühmorgens gibt es jetzt eine tägliche durchgehende Verbindung in die Hauptstadt, die Bundestagsabgeordneter Wilfried Oellers (CDU) gestern pünktlich um 7.41 Uhr nutzte.
Der Politiker fliegt nicht gern, zieht die etwa fünfeinhalbstündige Fahrt auf den Schienen generell vor. „Unterwegs kann ich in Ruhe effektiv arbeiten“, erklärt Oellers kurz vor seiner Abfahrt. „Wenn ich fliege, kann ich das nicht, weil ich oft umsteigen muss.“ In der Erka-Stadt startet er bei seinen seltenen Flügen seine Reise. Im Düsseldorfer Hauptbahnhof nimmt er dann die S-Bahn zum Flughafen, danach den Flieger zum neuen BER, der in Brandenburg liegt, von dort aus den Regionalzug zum Berliner Hauptbahnhof, von da geht es zum Deutschen Bundestag.
Die Stunde Zeit, die er länger unterwegs ist im ICE, nimmt der Christdemokrat gerne in Kauf. Wilfried Oellers ist froh, weil ihm die neue Direktverbindung ab Erkelenz ab sofort noch den Umstieg in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt erspart.
In einer gemeinsamen Initiative mit dem Erkelenzer Bürgermeister Stephan Muckel (CDU) hatte sich Oellers für einen zusätzlichen IC-Halt in Erkelenz stark gemacht. Dass es im Endeffekt sogar ein ICE-Halt wurde, hatte selbst die beiden überrascht – die Bahn begründete die Entscheidung damit, dass sie ohnehin die IC-Züge sukzessive gegen ICE-Züge austausche, da diese deutlich effizienter seien. Die bisherige IC-Linie ohne halt in Erkelenz wurde nun zur ICE-Linie umgewandelt.
Großer Bahnhof für den schnellen Zug: Mit Ehefrau Kristina und Töchterchen Nora (sieben Jahre) bildet Verwaltungschef Muckel das Empfangskomitee für den ICE. Die direkte Verbindung ins Ruhrgebiet, nach Hannover und Berlin sei ein wichtiger Standortvorteil, sagt Muckel zufrieden.
Auch vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Mobilitätswende sei das Angebot der Deutschen Bahn sehr zu begrüßen. Große Unternehmen in Bahnhofsnähe wie MH Wirth oder Hegenscheidt agierten international und legten Wert auf die direkte Anbindung.
Außerdem, so Muckel weiter, sei im östlichen Gewerbegebiet ein Strukturwandel geplant. Hier wolle man künftig einen Wissenschaftsstandort etablieren, für den der ICE-Halt ebenfalls wichtig sei. Stephan Muckel erinnert sich an seine Zeit als Bahnkunde. Während seines Studiums sei er nach Aachen gependelt. Auch Töchterchen Nora hat schon ICE-Erfahrung. Vor zwei Jahren fuhr die Grundschülerin mit ihren Eltern in den Urlaub nach Borkum.