Heinsberger Zeitung, 29.11.2019
Text: Daniel Gerhards
Bruderschaften lassen sich nicht vereinnahmen, sehen Waffenrechtsänderung aber kritisch. CDU will Entwurf ändern.
KREIS HEINSBERG Die AfD hat ihr Ziel klar erklärt: Einem parteiinternen Strategiepapier zufolge will sie Volkspartei werden und sich deshalb „in der Bürgergesellschaft fest“ verankern. Dafür sollen sich AfD-Mitglieder stärker in Gewerkschaften, Berufsverbänden, Sportvereinen, Bürgerinitiativen und Nachbarschaftsvereinigungen engagieren. Das Papier empfiehlt zur Ansprache Vereine und Verbände, „die Traditionen pflegen“ und „beim linksliberalen Milieu auf wenig Sympathie stoßen“. Explizit benannt werden etwa Jäger, Schützenvereine und Sportschützen. Da passt der Brief ins Bild, den nun viele Schützenvereine von der rechtspopulistischen Partei bekommen haben.
„Populistische Schiene“
Der Inhalt des Briefes: Ein Flyer zum Waffenrecht, der Bedenken aus Kreisen der Sportschützen und Jäger gegen eine Verschärfung aufgreift und die AfD als politische Interessenvertretung empfiehlt.
Alexander Tetzlaff, Erkelenzer Bezirksbundesmeister, hat den Flyer auch gesehen. Tetzlaff, der für die Schützenjugendorganisation BdSJ arbeitet, sagt: „Wir dürfen uns nicht über so eine populistische Schiene instrumentalisieren lassen.“ Deshalb veröffentlichte der BdSJ auch eine entsprechende Stellungnahme in den sozialen Netzwerken.
„Wir dürfen uns nicht über so eine populistische Schiene instrumentalisieren lassen.“
Alexander Tetzlaff,
Bezirksbundesmeister
Die AfD versucht, über das Waffen-Thema bei den Schützen einen Fuß in die Tür zu bekommen. „Das Thema Waffengesetz schlägt in eine Kerbe“, sagt Tetzlaff. „Die AfD hat aber auch andere Ziele, die nicht mit unseren Werten vereinbar sind.“ Natürlich seien in den einzelnen Bruderschaften sicherlich alle politischen Meinungen vertreten, die offizielle Linie, die von den Amtsträgern vertreten werde, laute jedoch: klare Kante gegen den Annäherungsversuch der AfD. Die Schützenverbände könnten ihre politische Meinung sehr gut selbst vertreten, da brauche es keine Partei, sagt Tetzlaff, schon gar nicht die AfD.
Der AfD-Flyer hat auch beim Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS), dem Dachverband der Schützen aus unserer Region, Irritationen ausgelöst. Bundesschützenmeister Emil Vogt sprach sich gegen jede Vereinnahmung durch die Partei aus. „Gerade in der heutigen Zeit, in der rechte Populisten unter dem Deckmantel der Heimatverbundenheit Grenzen abschotten wollen und Fremdenhass schüren, zeigen wir, dass unser Heimatbegriff auf Miteinander setzt und nicht auf Ausgrenzung“, sagt Vogt. „Respekt, Ehrlichkeit und Toleranz gehen fest einher mit unserem Leitgedanken ‚Für Glaube, Sitte, Heimat‘.“ Die Schützenbrüder verstünden sich als heimatverbunden, weltoffen und zukunftsorientiert.
Im Kreis schwach aufgestellt
Welche Bruderschaften nun Post von der AfD bekommen haben und welche nicht, ist weitgehend offen. Klar ist jedoch, dass nicht alle Vereine angeschrieben worden sind. Das haben Recherchen unserer Redaktion ergeben. Vielleicht lässt die Partei den Kreis Heinsberg, oder zumindest weite Teile davon, auch links liegen, weil sie hier aktuell nicht besonders gut aufgestellt zu sein scheint. Zwei AfD-Vertreter im Kreistag sind derzeit die einzigen Mandatsträger auf kommunaler Ebene. AfD-Ortsverbände sind in den Kommunen nicht zu finden. Und die Kreis-AfD hat bei Facebook überschaubare 1874 „Gefällt mir“-Angaben.
Die Vereine scheinen vielmehr die CDU in der Waffenrechtsfrage als Partner an ihrer Seite zu sehen. Bundestagsabgeordneter Wilfried Oellers (CDU) hat bereits sehr viele Zuschriften zu diesem Thema bekommen. Er spricht von sicherlich 50 bis 60 Briefen und E-Mails. Und auch Oellers drängt, wie im Übrigen die gesamte Unionsfraktion, auf Änderungen am Gesetzentwurf. „Ich teile die Sorgen und Nöte der Vereine vollumfänglich“, sagt Oellers. Wenn der Entwurf, der sich aktuell in der parlamentarischen Beratung befindet und noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, nicht geändert werde, könne er nicht zustimmen. „In meinen Augen ist es überzogen, dass Leute, die bisher redlich und vernünftig mit Waffen umgegangen sind, straf- und ordnungsrechtliche Schwierigkeiten bekommen können“, sagt Oellers. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf im Sinne der Schützen und Jäger geändert werde.
Schützenverbände fordern zum Beispiel, dass Schießnachweise lediglich für Waffengattungen, nicht aber für jede einzelne Waffe gefordert werden sollten. Auch sollte der Nachweis, einmal im Quartal oder sechsmal im Jahr geschossen zu haben, ausreichen. Im Entwurf wurden zunächst jährlich 18 Schießtage pro Waffe gefordert. Die Überprüfung sollte, so die Schützenforderung, fünf und zehn Jahre nach erstmaligem Waffenbesitz erfolgen. Anschließend sollte die Mitgliedschaft in einem Schießsportverein ausreichend sein, um das sogenannte „Bedürfnis“ fortbestehen zu lassen.
POST VON DER AFD
Wie ist die Partei an die Adressen gekommen?
Die AfD-Bundestagsfraktion hat nach Angaben des BHDS an die Schützenbruderschaften einen Flyer geschickt, der Bedenken aus Kreisen der Sportschützen und Jäger gegen eine Verschärfung des Waffenrechts aufgreift und die AfD als politische Interessenvertretung empfiehlt.
Wie die Partei an die Adressen der Schützenbruderschaften bzw. der jeweiligen Brudermeister gelangt ist, ist unklar. Bundesschützenmeister Emil Vogt betonte die politische Neutralität der Schützen. Es gelte zu verhindern, dass auch nur der Eindruck einer inhaltlichen Nähe zwischen ihnen und der AfD entstehe.
Der katholische Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften wurde 1928 gegründet, ihm gehören rund 1300 Schützenvereine mit rund 400.000 Mitgliedern an.
WAFFENRECHTSÄNDERUNG
„Frontalangriff“ auf die Sportschützen
Der Entwurf der Bundesregierung für ein drittes Waffenrechtsänderungsgesetz stößt bei Sportschützenverbänden auf Kritik. Während einer Anhörung des Innenausschusses sagte Jörg Brokamp, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Schützenbundes, die geplante Verschärfung des Waffenrechts drücke ein gewaltiges Misstrauen und einen Generalverdacht gegenüber den Schützenverbänden und ihren Mitgliedern aus. Die überzogenen Restriktionen führten zu Unverständnis. Friedrich Gepperth, Präsident des Bundes Deutscher Sportschützen, befand, der Entwurf stelle einen „Frontalangriff auf das Sportschützenbedürfnis zum Waffenbesitz“ dar. Brokamp mahnte Änderungen bei der Prüfung des Bedürfnisses für den Waffenbesitz bei Sportschützen an. Statt einen Schießnachweis pro Waffe zu fordern, sollte lediglich die Waffengattung unterschieden werden (Kurz- oder Langwaffe).