Auch in der zurückliegenden Wahlperiode haben wir die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behinderten-rechtskonvention wieder ein gutes Stück vorangebracht – und dies nach dem Grundsatz des „Disability Mainstreaming“ in allen Politikbereichen. Dabei waren wir mit Rettungspaketen in der Corona-Krise schnell zur Stelle, haben das neue Teilhaberecht nach dem BTHG weiter mit Leben gefüllt. Aber wir haben auch langjährig geplante gesetzliche Verbesserungen und große Reformprojekte endlich aufs Gleis setzen können – von der Reform des Betreuungs-rechts über die Verdoppelung des Steuer-Pauschbetrages bis hin zum Rechtsanspruch auf Mitnahme eines Assistenzhundes. Und selbst die nachfolgende Aufzählung ist hier noch nicht abschließend.
Erhalt der sozialen Infrastruktur in der Corona-Krise
Viele gemeinnützige Einrichtungen leisten einen immens wichtigen Beitrag für die soziale Infrastruktur, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Daher haben wir uns als die CDU/CSU-Fraktion bereits zu Beginn der Corona-Pandemie sehr für Lösungen eingesetzt, die den gemeinnützigen Sektor in der Krise berücksichtigen.
Gleich zu Beginn der Krise haben wir mit der Einführung des Sozialdienst-leister-Einsatzgesetzes (SodEG) eine gesetzliche Regelung geschaffen, durch die soziale Dienstleister und Einrichtungen der Fürsorge im Rahmen eines besonderen Sicherstellungsauftrages durch Bund, Länder und Sozialver-sicherungsträger finanziell unterstützt werden, um diese in ihrem Bestand nicht zu gefährden. Seitdem haben wir das SodEG mehrfach verlängert – es gilt nun so lange, wie lange die pandemische Lage von nationaler Tragweite gilt.
Dazu haben wir mit insgesamt milliardenschweren KfW-Programmen, Überbrückungshilfen, Sonderzahlungen aus der Ausgleichsabgabe und anderen Ausgleichszahlungen wie dem „Corona-Teilhabefonds“ Rettungs-schirme zum Beispiel für Behindertenwerkstätten, Inklusionsbetriebe, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen aufgespannt.
SGB IX-/ SGB XII-Änderungsgesetz
Bereits in der letzten Wahlperiode wurde mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) beschlossen, dass die Eingliederungshilfe nicht mehr Teil des Fürsorgesystems der Sozialhilfe sein, sondern zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden soll. Damit erhalten Menschen mit Behinderungen mehr Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben.
Damit die Systemumstellung möglichst reibungslos gelingt, haben wir mit dem Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetz-buch und anderer Rechtsvorschriften redaktionelle Fehler und Unklarheiten des BTHG beseitigt und weitere Verbesserungen vorgenommen.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
• Mit dem BTHG wird die Einkommens- und Vermögensheranzie-hung in der Eingliederungshilfe schrittweise verbessert. 2017 wurden der Einkommens- und Vermögensfreibetrag im geltenden Recht der Eingliederungshilfe maßvoll erhöht. Zum 1. Januar 2020 wurden die Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen neu konzipiert. Der Vermögensfreibetrag steigt auf rund 50.000 Euro. Partnereinkommen und -vermögen werden nicht mehr herangezogen.
• In besonderen Wohnformen (den bisherigen stationären Einrichtun-gen der Behindertenhilfe) wurden die Fachleistungen der Einglie-derungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe orientieren sich dann aus-schließlich am individuellen Bedarf. In diesem Zuge wird auch das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen gestärkt, vor allem hinsichtlich der Wohnform.
• Die Soziale Teilhabe und Teilhabe an Bildung in der Einglie-derungshilfe wurden durch eine Konkretisierung der Leistungskata-loge sowie punktuelle Ergänzungen gestärkt.
Angehörigen-Entlastungsgesetz
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
• Die Unterhaltsheranziehung von Kindern pflegebedürftiger Eltern und von Eltern von volljährigen Kindern mit einer Behinderung wird bis zu einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro in der gesamten Sozialhilfe sowie dem Sozialen Entschädigungsrecht ausgeschlos-sen. In der reformierten Eingliederungshilfe, die zum 1. Januar 2020 in Kraft trat, wurde der Beitrag vollständig gestrichen, den Eltern zu den Eingliederungshilfeleistungen ihrer volljährigen Kinder (z.B. für Assistenzleistungen) zu leisten haben.
• Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) bietet Betroffenen eine unabhängige Beratung auf Augenhöhe. Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz wird die Weiterfinanzierung der EUTB dauerhaft gesichert. Das schafft vor allem für die Träger der Beratungsangebote und ihre Beschäftigten langfristige Rechts- und Planungssicherheit.
• Es wurde ein Budget für Ausbildung als (weitere) Alternative zu den Werkstätten für behinderte Menschen eingeführt. Damit werden die Chancen für Menschen mit Behinderungen verbessert, eine berufliche Ausbildung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren zu können.
• Dazu haben wir geregelt, dass sich der Anspruch auf Arbeitsassi-stenz auf Übernahme der vollen Kosten richtet, die für eine als notwendig festgestellt Arbeitsassistenz entstehen. Die Integrations-ämter dürfen die erstattungsfähigen Kosten nicht länger begrenzen.
• In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird nunmehr auch https://www.wilfried-oellers.de/wp-admin/edit.php?post_type=presseartikelgesetzlich klargestellt, dass Menschen mit Behinde-rungen auch im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leistungsberechtigt sind.
Stärkung der Mitbestimmung in Werkstätten für behinderte Menschen
Wir haben die Finanzierung von Werkstatträte Deutschland e. V. gesichert. Probleme in der Praxis wurden dadurch ausgeräumt, dass Werkstatträte Deutschland das Geld unmittelbar über die Träger der Eingliederungshilfe erhält. Das schafft zugleich Transparenz bei der Abrechnung. Und wir haben eine – zunächst pandemiebedingte, dann dauerhafte – Möglichkeit für die Werkstatträte geschaffen, auch in Form von Video- und Telefonkonfe-renzen tagen und Beschlüsse fassen zu können.
Zielgenauere und höhere Leistungen für Auszubildende mit Reha- Status
Auszubildende in betrieblicher und außerbetrieblicher Berufsausbildung haben unter bestimmten Voraussetzungen während ihrer Ausbildung Anspruch auf die Sicherung ihres Lebensunterhalts durch die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bzw. das Ausbildungsgeld (Abg). Mit dem Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungshilfe und des Ausbildungsgeldes wurden folgende Änderungen vorgenommen:
• Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge: Die Anhebungen aus dem 26. Änderungsgesetz zum BAföG wurden auf das SGB III übertragen. Davon profitieren Auszubildende, die Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld haben. Insbesondere die Pauschalen für Unterkunftskosten wurden signifikant angehoben.
• Vereinfachung der Bedarfssatzstruktur: Die Bedarfssätze von BAB und Abg wurden stärker vereinheitlicht und eine Vielzahl an unterschiedlichen Sonderregelungen beseitigt, für die Unterstützung des Einzelnen kommt es dadurch zu Verbesserungen.
• Erhöhung und einfachere Ausgestaltung des Ausbildungsgeldes: Wer im Eingangsverfahren bzw. im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder an vergleichbaren Maßnahmen anderer Träger teilnimmt, bekommt nun ebenfalls mehr Geld. Unterschiede in der Höhe während des Ausbildungszeitraumes wurden abgeschafft. Darüber hinaus wurde der Bedarfssatz bei einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung deutlich erhöht.
Mehr Transparenz bei der Vergabe von Reha-Leistungen
Mit dem Gesetz Digitale Rentenübersicht haben wir mehr Transparenz bei der Vergabe von Rehabilitationsleistungen geschaffen. Hierzu wurden die Zulassung und Inanspruchnahme von Rehabilitationseinrichtungen europarechtskonform neu geregelt und dabei insbesondere das Wunsch- und Wahlrecht gestärkt.
• So spielt das Wunsch- und Wahlrecht eine wichtige Rolle bei der Auswahl einer für den Versicherten geeigneten Einrichtung. Der Versicherte kann dem zuständigen Rentenversicherungsträger Rehabilitationseinrichtungen vorschlagen, bevor dieser selbst sein Vorschlagsrecht wahrnimmt. Wichtig bleibt: Die Einrichtungen müssen objektiven Qualitätskriterien entsprechen.
• Bei der Erarbeitung der verbindlichen Entscheidungen der DRV Bund zum Zulassungsverfahren für Reha-Einrichtungen ist die Institu-tionalisierung eines konsensualen Entscheidungsprozesses durch ein begleitendes Berater-Gremium vorgesehen. Damit binden wir die Interessenvertretungen von Reha-Einrichtungen und Rehabilitanden stärker ein. Dies ist insbesondere von Bedeutung für die Erarbeitung des Vergütungssystems, aber auch die allgemeinen Kriterien für die Zulassung, Belegung und Qualitätssicherung von Einrichtungen.
• Was die Qualitätssicherung angeht, so sind bei einer Belegung einer Einrichtung durch mehrere Träger die jeweiligen Qualitätssiche-rungsverfahren gegenseitig anzuerkennen. So wird die Teilnahme an mehreren Qualitätssicherungsverfahren in Einrichtungen auch im Sinne einer trägerübergreifenden Regelung vermieden.
• Und: Wir stärken die Breite und Vielfalt der Reha-Landschaft. Bei der Festlegung der Kriterien für die Vergütung sind im Rahmen einer Verhandlungskomponente auch leistungsspezifische Besonder-heiten, ein regionaler Faktor und tariflich vereinbarte Vergütungen und entsprechende Vergütungen nach kirchlichem Arbeitsrecht mit zu berücksichtigen.
Teilhabestärkungsgesetz
Mit diesem großen Gesetzespaket haben wir zahlreiche Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen in vielen verschiedenen Lebensbereichen auf den Weg gebracht. Hier die wichtigsten Neuerungen:
1. Erstmals haben wir im Behindertengleichstellungsgesetz einen Rechtsan-spruch für Menschen mit Behinderungen auf Begleitung durch einen Assistenzhund und Zutritt zu Einrichtungen und der Öffentlichkeit zugänglichen Anlagen wie Supermärkten, Restaurants und Arztpraxen geschaffen. Und wir regeln die dazu gehörige Ausbildung und Zertifizierung. Dabei stellen wir eine einheitliche Verwendung der Bezeichnung Assistenzhund auch für Blindenführhunde sicher.
2. Wir verbessern den Schutz vor Gewalt vor allem von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, indem wir die Träger von Reha- und Teilhabeleistungen insbesondere dazu verpflichten, Gewaltschutzkonzepte mit konkreten Maßnahmen wie z.B. Aufklärungs- und Präventionsangeboten und Beschwerdestellen zu entwickeln.
3. Digitale Gesundheitsanwendungen wurden in den Leistungskatalog der medizinischen Rehabilitation des SGB IX aufgenommen. Denn gerade in Zeiten wie diesen dürfen Gesundheitsschutz und digitaler Fortschritt Menschen mit Behinderungen nicht außen vorlassen.
4. Wir machen das Budget für Ausbildung attraktiver: Nun können auch Menschen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einem anderem Leistungsanbieter über das Budget für Ausbildung im Sinne eines „lebenslangen Lernens“ gefördert werden. Dabei kann die an die Betriebe erstattungsfähige Ausbildung auch über die Mindestausbildungsver-gütung hinausgehen.
5. Angesichts der harten wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für viele Werkstätten für behinderte Menschen haben wir geregelt, dass der Bund nach 2020 auch im Jahr 2021 zugunsten der Integrationsämter auf einen Teil der Ausgleichsabgabe verzichtet, damit Rückgänge bei den Werkstattentgel-ten auch im Jahr 2021 angemessen kompensiert werden können; die Werk-stattentgelte können so kurzfristig gesichert werden.
6. Wir verbessern die Betreuung von Rehabilitanden in den Jobcentern, indem spezifische Förderleistungen von den Jobcentern auch neben einem Rehabilitationsverfahren erbracht werden können und die Koordinierung von Leistungen zwischen den Rehabilitationsträgern und den Jobcentern optimiert wird. Dabei stärken wir die Verbindlichkeit der Teilhabeplankon-ferenz für die Träger und die Entwicklung von Qualifizierungs- und Schulungsangeboten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern.
7. Besonders freut es uns, dass wir es geschafft haben, eine Ansprechstelle für Arbeitgeber im Gesetz zu verankern. Diese soll als trägerunabhängiger Lotse Betriebe, die schwerbehinderte Menschen einstellen wollen oder beschäftigen, sensibilisieren, über die große und auch komplexe Palette an Fördermöglichkeiten informieren und bei der Antragstellung unterstützen. Angesiedelt werden soll sie bei Integrationsfachdiensten oder anderen geeigneten Trägern wie den Industrie- und Handelskammern, Handwerks-kammern oder Beratungsnetzwerken mit Wirtschaftsnähe. Damit helfen wir vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen – und wir helfen Menschen mit Behinderungen, den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Wir erwarten von diesem neuen Anreizinstrument einen kräftigen Schub zur besseren Integration in den Arbeitsmarkt.
8. Nach dem SGB IX besteht die Möglichkeit, neben anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen auch Inklusionsbetriebe bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand bevorzugt zu berücksichtigen. Allerdings bestand hier bisher eine rechtliche Unsicherheit, die wir nun beseitigt haben.
9. Mehr Mittel für die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs: Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihrer Behinderung ihr Fahrzeug umbauen oder ein Auto beschaffen müssen, um zur Arbeit oder Ausbildung fahren zu können, kommen hohe Kosten auf sie zu. Bisher gab es neben dem behinderungsbedingten Umbau für die Beschaffung eines Kraft-fahrzeugs einen Zuschuss in Höhe von bis zu 9.500 Euro. Diesen seit 1990 unverändert gebliebenen Betrag haben wir nun auf bis zu 22.000 Euro erhöht und ermöglichen so eine wichtige Unterstützung insbesondere für die Teilhabe am Arbeitsleben.
Mehr Teilhabe durch mehr Barrierefreiheit
Mit dem neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz haben wir in Umsetzung des European Accessibility Acts eine Grundlage geschaffen für die europa-weite Harmonisierung und Verbesserung der Barrierefreiheitsanforde-rungen für Produkte und Dienstleistungen, die künftig barrierefrei hergestellt, vertrieben, angeboten oder erbracht werden müssen, insbeson-dere aus dem Bereich digitaler Dienstleistungen (z.B. Automaten, Internet-und Telefoniedienste, Bankdienstleistungen). Die konkreten Barrierefreiheits-anforderungen werden später in einer Rechtsverordnung geregelt. Für Kleinstunternehmen, die barrierefreie Dienstleistungen anbieten und erbringen möchten, wird ein Beratungsangebot bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit geschaffen. Barrierefreiheitsanforderungen sollen nur insoweit angewandt werden, wie sie dem betreffenden Wirtschaftsakteur keine unverhältnismäßige Belastung auferlegen. Die Bundesländer üben grds. die Marktüberwachung über die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderun-gen und damit über den Vollzug des Umsetzungsgesetzes als eigene Angele-genheit aus. Zu besseren Rechtsdurchsetzung werden eine Vertretungs-befugnis und eine Prozesstandschaft sowie ein Verbandsklagerecht für bestimmte anerkannte Verbände und qualifizierte Einrichtungen eingeführt. Außerdem wird die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens geschaffen.
Auch in anderen Bereichen arbeiten wir daran, Barrieren weiter abzubauen. So haben wir eine Novelle zum Personenbeförderungsgesetz beschlossen, mit der u.a. Regelungen dafür getroffen wurden, dass neue Linienbedarfsverkehre dem ÖPNV zugeordnet werden. Damit sind auch sie nach § 8 Abs. 3 PBefG zur Barrierefreiheit verpflichtet. Für den Taxiverkehr sowie für die neuen gebündelten Bedarfsverkehre wird erstmals eine Vorgabe zur Barrierefreiheit normiert.
Und mit dem Telekommunikationsmodernisierungsgesetz haben wir nach langem Vorlauf die vertraglich bereits vereinbarte Einführung einer Notruf- App für gehörlose und hörbehinderte Menschen auch gesetzlich verankert.
Mehr Brutto vom Netto – Verbesserungen im Steuerrecht
Fast 40 Jahre haben Menschen mit Behinderungen darauf gewartet: Im vergangenen Jahr nun haben wir mit dem Behinderten-Pauschbetragsgesetz die Verdopplung der Behinderten-Pauschbeträge und die Aktualisierung der Systematik beschlossen. Diese Änderungen wurden zum 1. Januar 2021 wirksam. Der Betrag bei einem Grad der Behinderung von beispielsweise 50 Prozent steigt auf 1.140 Euro, bei 100 Prozent auf 2.840 Euro. Auch wird eine Pauschale künftig bereits bei einem Grad der Behinderung von 20 Prozent gewährt. Die Erhöhung und Ausweitung soll in vielen Fällen den aufwändigen Einzelnachweis von Aufwendungen vermeiden. Zudem wurde ein behinde-rungsbedingter Fahrkosten-Pauschbetrag eingeführt. Bei einem Grad der Behinderung kleiner von weniger als 50 Prozent soll künftig auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden. Das bedeutet weniger Bürokratie für alle Betroffenen. Auch der Pflegepauschbetrag wurde fast verdoppelt. Er steigt von 924 Euro im Jahr auf 1.800 Euro. Zudem wird ein neuer Pauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 neu eingeführt.
Inklusives Wahlrecht
Mit Wirkung bereits zur Europawahl am 26. Mai 2019 ist der Wahlrechtsaus-schluss für Menschen mit Vollbetreuung aufgehoben worden. Konkret wurden die Wahlrechtsausschlüsse für in allen Angelegenheiten Betreute sowie für Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, aufgehoben. Betroffen sind nach Schätzun-gen rund 85.000 Menschen.
Stärkung der Selbstbestimmung in der rechtlichen Betreuung
Im Rahmen einer großen Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts haben wir das seit dem 1. Januar 1992 geltende Betreuungsrecht im Lichte der Ergebnisse der beiden von 2015 bis 2017 im Auftrag des BMJV durchge-führten Forschungsvorhaben zur „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ und zur „Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrecht-lichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen“ grundlegend modernisiert.
Zentrale Ziele der Reform sind die Stärkung der Selbstbestimmung der be-troffenen Menschen im Vorfeld und innerhalb einer rechtlichen Betreuung im Sinne von Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und die Verbesserung der Qualität der rechtlichen Betreuung in der Anwen-dungspraxis. Erreicht werden soll dies durch eine bessere Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes an der Schnittstelle zum Sozialrecht und Klarstellung, dass die rechtliche Betreuung in erster Linie eine Unterstützung des Betreuten bei der Besorgung seiner Angelegenheiten durch eigenes selbstbestimmtes Handeln gewährleistet und der Betreuer das Mittel der Stellvertretung nur einsetzen darf, soweit es erforderlich ist.
Der Vorrang der Wünsche des Betreuten wird als zentraler Maßstab des Betreuungsrechts normiert. Er gilt zugleich als Maßstab für das Betreuer-handeln, die Eignung des Betreuers und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht. Dabei wird sichergestellt, dass die betroffene Person in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens besser informiert und stärker eingebun-den wird. Dies gilt in besonderem Maße für die Einbindung in die gerichtliche Entscheidung über „Ob und Wie“ der Betreuerbestellung, in die Auswahl des konkreten Betreuers sowie in dessen Kontrolle durch das Betreuungsgericht. Auf Wunsch des Betreuten kann ein Betreuungsverein bestellt werden.
Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz haben wir verbindliche Weichen für die Zusammenführung der Zuständigkeiten der Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe (sog. Inklusive Lösung) gestellt. Für den Prozess der Umsetzung der Inklusiven Lösung, der sich in drei Schritten vollzieht sowie durch unterschiedliche Untersuchungen wissenschaftlich begleitet und in einen Beteiligungsprozess mit allen relevanten Akteuren eingebettet wird, ist ein Zeitraum von insgesamt sieben Jahren vorgesehen. In einem ersten Schritt sind umfangreiche Änderungen zur Gestaltung einer inklusiven Kinder-und Jugendhilfe und Bereinigung der insbesondere zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Eingliederungshilfe bestehenden Schnittstellen vorgesehen. Der zweite Schritt besteht in der Einführung eines Verfahrenslotsen beim Jugendamt im Jahr 2024. Bis dahin müssen die für die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch das Jugendamt notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Der dritte Schritt sieht ab dem Jahr 2028 die Übernahme der vorrangigen Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für Leistungen der Eingliederungshilfe an jungen Menschen mit (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderungen vor. Voraussetzung für diesen Schritt ist die Verkündung eines Bundesgesetzes bis spätestens 1. Januar 2027, das konkrete Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis, zu Art und Umfang der Leistung, zum Verfahrensrecht sowie zur Kostenbeteiligung enthält.