Heinsberger Nachrichten, 04.05.2020
Foto: dpa
Text: Daniel Gerhards
Gerald Zirbes sieht die CDU als Bremse in der Energiewende. Solardeckel gefährde zehntausende Arbeitsplätze.
KREIS HEINSBERG Das riesige Feuer im niederländischen Nationalpark De Meinweg könnte „ansatzweise“ gezeigt haben, wo der Klimawandel hinführt, meint Gerald Zirbes. Das rufe nach konsequenterem Klimaschutz. Zirbes ist Geschäftsführer der Erkelenzer Firma econ SolarWind GmbH und hat nun in einem offenen Brief an den Heinsberger Bundestagsabgeordneten Wilfried Oellers (CDU) geschrieben, dass der sogenannte Solardeckel endlich abgeschafft werden müsse. Zirbes fordert im Gespräch mit unserem Redakteur Daniel Gerhards den Erhalt der Förderung für die Erneuerbaren Energien. Er sagt, dass zehntausende Arbeitsplätze in der Photovoltaik-Branche in Gefahr seien, weil die CDU eine Gesetzesänderung blockiert, die im Rahmen des Klimapakets längst von der Koalition beschlossen worden war.
Herr Zirbes, die Corona-Krise überlagert in der medialen Öffentlichkeit alles. Geht die Klimadiskussion deshalb aktuell unter?
Zirbes: Das Gefühl habe ich. Wenn man sich die Berichterstattung vor Corona anschaut und dagegen die aktuelle sieht, kann man sich gegen diesen Eindruck gar nicht wehren. Das äußert sich ja auch in den aktuellen Wahlumfragen und den daraus resultierenden Umfragewerten der Parteien.
Die CDU gewinnt in der Wählergunst und die Grünen werden in ihrem Höhenflug gebremst. Nimmt das der Regierung den Druck, etwas für das Klima zu tun?
Zirbes: Ja, das ist so. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahre 2000 enthält aus früheren Jahren einen Förderdeckel: Sobald 52 Gigawatt PV-Leistung in Deutschland installiert sind, endet für Neuanlagen die Einspeisevergütung für Solarstrom, das sind ca. neun Cent pro Kilowattstunde. Diese 52 Gigawatt werden in den nächsten Monaten erreicht.
Bedeutet das, dass es danach kein Geld für Solarstrom aus neuen Photovoltaikanlagen mehr gibt?
Zirbes: Damit entfällt das Recht auf den Netzanschluss der Anlage und auch eine Regelung zur Vergütung. Wir installieren seit 16 Jahren PV-Anlagen. Jeder, der mit dem Gedanken spielt, sich zur Eigenversorgung eine Photovoltaikanlage anzuschaffen, braucht eine Regelung, um überschüssigen Strom in das Netz einzuspeisen zu können und vergütet zu bekommen.
„Vorne Klimaschutz predigen und ihm hintenherum den Garaus machen, das ist in höchstem Maße gewissenlos und Verrat an der jungen Generation.“
Gerald Zirbes, Geschäftsführer der econ SolarWind GmbH
Welche Rolle spielt die Politik dabei?
Zirbes: Im Klimapaket der Bundesregierung von September 2019 wurde die Abschaffung des Deckels beschlossen – doch es passiert nichts. Die Regierungskoalition in Berlin – und hier zeichnet maßgeblich das Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftsflügel der CDU verantwortlich – blockiert gerade aktiv die Abschaffung des Förderdeckels und damit den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig wird in den Medien, auf nationaler und internationaler Bühne, jede Gelegenheit zur Forderung nach mehr Klimaschutz gesucht. Vorne Klimaschutz predigen und ihm hintenherum den Garaus machen, das ist in höchstem Maße gewissenlos und Verrat an der jungen Generation.
Sie haben Ihren Offenen Brief an Herrn Oellers gerichtet, Sie sehen also die CDU in der Pflicht?
Zirbes: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU hat vor Corona in vielen Talkshows gesagt, dass der PV-Deckel selbstverständlich abgeschafft wird. Aber es tut sich nichts. CDU und SPD blockieren sich gegenseitig. Die CDU will bei der Windkraft unbedingt einen Abstand von 1000 Metern zu Siedlungen durchsetzen. Sie nutzt den PV-Deckel in dieser Diskussion als Faustpfand.
Was bedeutet das für Ihre Branche?
Zirbes: Alles redet ja über die Kumpel, die in der Braunkohle beschäftigt sind. Aber in der PV-Branche stehen 100.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. In der Windkraft sind es noch einmal 50.000 bis 80.000. Und niemand bekommt mit, was da abläuft. Niemand redet darüber.
Im Kreis Heinsberg wird die manchmal abstrakte Klimadiskussion erlebbar. Was denken Sie, wenn Sie den Tagebau und die sterbenden Dörfer sehen?
Zirbes: Wir haben ja einen Beschluss zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Das bedeutet aber erst einmal, dass noch 17 Jahre lang weiter Braunkohle gefördert und verbrannt werden darf. Das können wir uns angesichts der Klimaschutzziele aus dem Pariser Klimaabkommen und der schon begonnenen Erderhitzung gar nicht leisten. Dass unsere Region massiv betroffen ist, ist ein alter Hut, das wissen wir schon lange. Für mich ist klar, dass der Widerstand in der Bevölkerung massiver werden wird. Das ist für uns als Bürger einfach nicht mehr nachvollziehbar. Die verantwortlichen Politiker geben sich in der Öffentlichkeit immer als Klimabesorgte, im Alltag tun sie aber alles dafür, beim Klimaschutz zu bremsen.
Warum Sind Sie gerade jetzt an Herrn Oellers herangetreten?
Zirbes: Im dritten Jahr in Folge erleben wir in Deutschland ausbleibende Niederschläge und ungewöhnlich trockene Wetterlagen. In unserer Heimat brennen die Wälder, die fruchtbarsten Böden der Republik drohen zu verdorren. Die Klimakrise ist da und trifft uns und unseren Planeten mit voller Wucht. Das Wirtschaftsministerium ist CDU-geführt, da spielen sich die Tragödien rund um den Klimaschutz ab. Dabei müssten gemeinsam mit dem Regierungspartner getroffene Entscheidungen einfach nur umgesetzt werden.
INFORMATIONEN
Erkelenzer Firma installiert PV-Anlagen
Das Erkelenzer Unternehmen econ SolarWind GmbH ist auf dem Sektor der Erneuerbaren Energien tätig. Es plant und installiert zum Beispiel Photovoltaikanlagen und Stromspeicher. Zu den Kunden zählen etwa private Hauseigentümer, Landwirte und Gewerbetreibende. Gerald Zirbes ist Geschäftsführer des Unternehmens und leitet es gemeinsam mit Ralf Bußberg.