15.09.2017
Rheinische Post/Erkelenz
Der DGB hatte Direktkandidaten aus dem Kreis Heinsberg zur Bundestagswahl zu einer Podiumsdiskussion ins Beecker Flachsmuseum eingeladen. Sechs waren der Einladung gefolgt und stellten sich den Fragen von Thomas Hartmann.
Oft waren sich einige der Diskussionsteilnehmer einig, bisweilen wurden die Unterschiede deutlich in ihren Meinungen. Der Kandidat der Linken hatte wegen Terminüberschneidungen absagen müssen. Die Interessen der arbeitenden Bevölkerung standen naturgemäß im Zentrum dieser Diskussion, bei der Hartmann zunächst nach den Ansichten der Kandidaten zur Tarifbindung und zur Tarifautonomie fragte. „Wie kann es uns gelingen, dass sich Unternehmen wieder an die Tarifbindung halten?“, fragte er in die Runde.
Diese Bindung sei wichtig und dürfe nicht weiter aufgeweicht werden, antwortete Klaus Wagner (FDP). Man müsse die Gewerkschaften stärken, sagte Sascha Mattern (Freie Wähler). Mehr
Solidarität, mehr Engagement in Gewerkschaften und mehr solidarische Unternehmer forderte Norbert Spinrath (SPD). Es sei ein Skandal, dass nur 50 Prozent der Arbeitnehmer einen Tariflohn erhielten, wetterte Christoph Stolzenberg (Bündnis 90/Die Grünen), der zur Mitgliedschaft in Gewerkschaften aufforderte. Nur Unternehmen, die sich an die Tarifbindung halten, dürften Aufträge der Öffentlichen Hand erhalten, meinte Kai Boxberg (Piratenpartei). Die Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern und -nehmern habe den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland geprägt, erinnerte Wilfried Oellers (CDU). Diese Tarifautonomie bedeute aber auch die Freiheit, sich keinen Tarifverträgen anzuschließen.
Hartmanns Frage, ob Leiharbeiter vom ersten Tag an ihrer Tätigkeit in einem Betrieb den gleichen Lohn wie Festangestellte erhalten sollten, bejahten alle Diskussionsteilnehmer; bis auf Mattern, der meinte, dass dadurch Langzeitarbeitslosen der Wiedereinstieg verwehrt würde.
Beim Themenkomplex Rente kam Hartmann schnell zur Frage, was getan werden müsse, um stabile und sichere Renten zu erhalten, die ein auskömmliches Leben im Alter ermöglichen.
Die Renten dürften nicht ins Bodenlose sinken, meinte Wagner. Den Bürgern müssten attraktive private Angebote zur Altersvorsorge gemacht werden. Eine Mindestrente sei als Absicherung erforderlich, so Mattern. „Wir brauchen gute Löhne für eine gute Rente“, sagte Spinrath, dem eine Basisrente vorschwebt, die über der Grundsicherung im Alter liegt. Das jetzige Rentensystem werde in zwei Jahrzehnten zusammenbrechen, davon war Stolzenberger überzeugt. Er forderte die Aufhebung zwischen Renten und Pensionen und eine Gleichbehandlung aller Beschäftigten. Eine starke, staatliche Rente schwebte Boxberg vor, basierend auf dem Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens. Grundvoraussetzung für eine stabile Rente sei eine florierende Wirtschaft, erklärte Oellers. Durch Steuerermäßigungen sollten Arbeitnehmer Geld für private Altersvorsorge erlangen. Ob Sockelrente, Grundeinkommen, Systemwechsel bei der Rente, den Wahrheitsgehalt der Arbeitslosenzahlen, bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte wurde deutlich: Allen Podiumsteilnehmern war bewusst, dass heute die Weichen für die Jahre 2030, 2040 gestellt werden müssen. Aber ob die Richtung stimmte, wissen die Politiker, die in Jahrzehnten darüber befinden, ob die jetzigen richtig oder falsch gehandelt haben.