Heinsberger Zeitung, 16. Oktober 2019
Text und Foto: Nicola Gottfroh
KREIS HEINSBERG Die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) im Kreis berät in allen Lebensbereichen und bietet Menschen mit Behinderung in ihrem Büro in Hückelhoven nun Hilfe auf Augenhöhe.
Wie es sich anfühlt, wenn ein Mensch, den man über alles liebt, wegen seiner Andersartigkeit auf der Straße angeschaut wird, das weiß Maria Bleimann-Lotz ganz genau. Sie weiß, wie es sich anfühlt, mit einem Menschen mit Behinderung zusammenzuleben, sie hat erfahren, wie hilflos man sich oft fühlt, wenn Hilfe, Ansprechpartner und Zuständigkeiten fehlen.
Bleimann-Lotz hat diese Erfahrungen gemacht, weil ihre Schwester mit Down-Syndrom geboren wurde. Und weil sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn man verzweifelt auf der Suche ist nach Menschen, Einrichtungen, Behörden und Informationen, die bei speziellen Problemen helfen, hat sie es sich nun zur Aufgabe gemacht, selbst zu helfen.
Gemeinsam mit ihren Kollegen, den Teilhabeberatern Simon Jansen und Gabriele Sponholz, leitet sie die EUTB, die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung, die nun in Hückelhoven für den Kreis Heinsberg seine Türen geöffnet hat.
Neues Angebot
Hinter dem eher sperrigen Begriff verbirgt sich ein Unterstützungsangebot für Menschen, die eine Behinderung haben oder von einer solchen bedroht sind, das sich aber auch an deren Eltern, Angehörige, Betreuer sowie alle anderen, die Fragen rund um das Thema Behinderung haben, richtet. „Die EUTB ist praktisch ein umfassender Wegweiser für Menschen mit Behinderung. Dabei ist die EUTB selbstverständlich kostenlos und frei zugänglich“, sagt Maria Bleimann-Lotz.
Die Arbeit ist vielschichtig, die Problemlagen auch, weiß Simon Jansen. „Die Themen bei den Beratungen sind breit gefächert. Oft geht es um die Unterstützung bei Anträgen, etwa für einen Schwerbehindertenausweis oder auch um die Fragen, woher finanzielle Förderung kommt, etwa, wenn ein junger Erwachsener mit Behinderung bei den Eltern ausziehen möchte“, erklärt der Teilhabeberater. Oft dreht sich die Arbeit aber vor allem ums Zuhören, um herauszufinden, wie die individuelle Zukunftsplanung aussieht, wo Probleme liegen, wie man helfen kann.
Grundidee dieser vertraulichen Gespräche ist es, dass sie auf Augenhöhe stattfinden, was durch die sogenannte „Peer Beratung“ gewährleistet werden soll. Das heißt, dass die Berater oft selbst – aktiv oder passiv – von einer Behinderung betroffen sind – so wie eben Maria Bleimann-Lotz, die Probleme durch ihre eigene Situation viel besser nachempfinden kann.
„Die EUTB wird die vorhandene Beratungslandschaft im Kreis Heinsberg erweitern und ergänzen. Es geht darum, Barrieren abzubauen. Die Eigenverantwortung, individuelle Lebensplanung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung wird so gestärkt“, betont Simon Jansen.
Für die Berater gilt es nun, ein besonders großes Netzwerk zu knüpfen. „Es bestehen bereits Kontakte etwa zur Koordinierungs-, Kontakt und Beratungsstelle (KoKoBe), dem Selbsthilfe- und Freiwilligen-Zentrum und anderen Beratungsstellen im Kreis. Das Netzwerk muss jetzt erweitert und ausgebaut werden“, sagt Maria Bleimann-Lotz. „Wir verstehen unsere Arbeit als Lotsenfunktion. Das bedeutet, dass sich Menschen mit Behinderungen in nahezu allen sozialen Problemlagen an uns wenden können und wir ihnen selbst helfen oder sie an spezielle Einrichtungen vermitteln“, sagt EUTB-Beraterin Gabriele Sponholz.
Auch der Bundestagsabgeordnete und Behindertenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Wilfried Oellers, freut sich über das neue Angebot, für das er sich sich in Berlin stark gemacht hat.„Es ist wichtig, die verschiedenen Angebote im Kreis so gut wie nötig zu vernetzen“, betonte er beim Besuch des Büros. Dabei ließ er auch durchblicken, dass das Projekt, das derzeit noch befristet finanziert ist, in Zukunft dauerhaft finanziert werden soll und versprach Planungssicherheit. „Wir sind hier nicht angetreten, um im 2020 den Deckel drauf zu machen“, betonte Wilfried Oellers.