Heinsberger Zeitung vom 13.01.2022
Text und Bild: Daniel Gerhards
KREIS HEINSBERG Mal landet die Straße vor Gericht, mal spielen die Niederländer nicht mit, mal dauert es einfach seine Zeit. Wo die wichtigsten Straßenbauprojekte für den Kreis Heinsberg stehen.
Wer in Deutschland eine größere Straße plant, der denkt in langen Zyklen. Nur weil sie von der Politik für sinnvoll befunden wird, heißt es noch lange nicht, dass eine neue Straße auch zügig gebaut wird. So etwas zieht sich über Jahre und Jahrzehnte. Wir beleuchten fünf Straßenbauprojekte für den Kreis Heinsberg.
Ortsumgehung Unterbruch
Von außen betrachtet wirkt es so als tue sich bei der Planung der Ortsumgehung Unterbruch (B221n) herzlich wenig. Die Umgehungsstraße soll eine Lücke zwischen der Ortsumgehung Wassenberg und dem Ausbauende der B221 in Heinsberg schließen. Bereits als die Ortsumgehung Wassenberg Ende 2019 freigegeben worden war, hieß es, dass Straßen.NRW mit Hochdruck an der Planung der Unterbrucher Umgehung arbeite, um sie mittelfristig bauen zu können.
Nun, zwei Jahre später, gibt es immer noch keinen verlässlichen Termin für einen Baustart. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW teilt auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass das sogenannte Planfeststellungsverfahren laufe. Die Planfeststellung dient dazu, alle für den Straßenbau relevanten Rechtsfragen zu klären. In dem Verfahren wird das Projekt auch gegen andere öffentliche oder private Interessen abgewogen. „Zurzeit werden die Entwurfsunterlagen überarbeitet und an die aktuellen Richtlinien angepasst“, teilt Elena Färber, Pressesprecherin von Straßen.NRW, mit. „Wahrscheinlich Ende 2023“ sollen die aktualisierten Entwurfsunterlagen an die Bezirksregierung Köln übergeben werden. Die Bezirksregierung führt das Planfeststellungsverfahren dann aus und setzt die weiteren Termine fest. „Daher kann kein verlässlicher Termin für einen Baubeginn genannt werden“, so Färber.
Wenn sie auch sehr technisch ist, so ist diese Antwort von Straßen.NRW doch die konkreteste Aussage, die in den vergangenen Jahren von offizieller Seite zur Ortsumgehung Unterbruch zu bekommen war. Bislang nannten die Behörden im Zusammenhang mit der Straße nie Jahreszahlen.
Bundestagsabgeordneter Wilfried Oellers (CDU) steht nach wie vor hinter diesem Straßenbauprojekt. Er fordert, dass die Planfeststellung „in dieser Legislaturperiode“ – also bis Ende 2025 – abgeschlossen werden soll. „Das ist immer noch viel Zeit“, das sei aber angesichts der langen Planungszeiten in Deutschland „leider“ nicht ungewöhnlich, sagt Oellers. Er hofft dafür, dass dann alle Einwände gegen den Bau der Straße berücksichtigt werden und dass die Akzeptanz deshalb groß sein wird.
Gegner der Straße gibt es vor allem in den Wassenberger Orten Orsbeck und Luchtenberg, zwischen denen die Straße verlaufen soll. Dort ist recht wenig Platz, und die Orte sind auch als Gemeinschaft eng miteinander verbunden. Das will man nicht von der Straße zertrennen lassen. Deshalb sei die Passage zwischen Orsbeck und Luchtenberg für die Ortsumgehung Unterbruch ein „Nadelöhr“, sagt Oellers.
Der weitere Straßenverlauf führt über die Rur, passiert Oberbruch, überquert die Wurm und schließt dann in Heinsberg an das Ausbauende der B221 an. Im Bundesverkehrswegeplan, in dem die Unterbrucher Umgehung mit „vordringlichem Bedarf“ gekennzeichnet ist, sind 33,2 Millionen Euro für die Straße eingeplant. Die Kosten werden nun nach Angaben von Straßen.NRW neu berechnet. „Es ist mit einer deutlichen Erhöhung der Baukosten zu rechnen“, so Färber.
Ortsumgehung Scherpenseel
„Der Ball liegt nicht in unserem Feld“, sagt Oellers. Damit meint er, dass die Niederländer nach der Freigabe des Buitenrings Parkstad Limburg im Jahr 2019 die Planung des Randweges Abdissenbosch auf Eis gelegt haben. Hintergrund sind zu hohe Stickoxidwerte, die die Niederländer zu einem Planungsstopp veranlassten. Für die deutsche Seite bedeute das, dass man nun nicht wisse, wo genau die Straße über die Grenze kommt, sagt Oellers. Straßen.NRW-Sprecherin Färber bestätigte, „dass damit auch die Priorität der von uns geplanten B221n Ortsumgehung Scherpenseel infrage steht“.
Wie es meist bei neuen Straßen ist, gibt es auch bei der Ortsumgehung Scherpenseel Befürworter und Gegner. Befürworter sind in erster Linie Anwohner der Heerlener Straße in Scherpenseel, Gegner kommen aus Grothenrath, wo man Nachteile durch die Straße befürchtet. Nach Angaben von Straßen.NRW ist noch nicht klar, wo genau die Straße verlaufen soll. Da die Umgehung Scherpenseel sich „in der nicht abgeschlossenen Umweltverträglichkeitsstudie befindet“ und für die niederländische Verlängerung des Randweges Abdissenbosch noch nicht mit der Umweltverträglichkeitsstudie begonnen wurde, sei die Streckenführung insbesondere am Grenzübergangspunkt ungewiss, teilt Färber mit.
Wann die Scherpenseeler Umgehung gebaut werden könnte, ist vollkommen unklar. Das liegt vor allem am niederländischen Planungsstopp. Die Gemeinde Landgraaf und die Provinz Limburg haben im Herbst 2021 jedenfalls ein Lkw-Verbot für die niederländische Weiterführung der Heerlener Straße umgesetzt. Zudem sollen auf der Heerlener Straße in Scherpenseel noch einmal Verkehrszählungen stattfinden, sagt Oellers.
Während ein Zeitrahmen für den Straßenbau noch komplett in den Sternen steht, ist schon recht klar, dass der einst avisierte Finanzrahmen nicht zu halten sein wird. Im Bundesverkehrswegeplan ist von Kosten in Höhe von 10,4 Millionen Euro die Rede. Straßen.NRW geht „ganz grob“ davon aus, dass sich die Kosten mittlerweile um mindestens 20 Prozent erhöht haben.
Ortsumgehung Hückelhoven
Bei der Ortsumgehung Hückelhoven (L364n) hängt die Umsetzung an den Gerichten. Gegner der Straße kämpfen seit Jahren dagegen, dass sie gebaut wird. Ein Hückelhovener Landwirt verlor zunächst vor dem Verwaltungsgericht, der Fall wurde in Folge vom Oberverwaltungsgericht Münster zur Berufung zugelassen, so dass die Münsteraner Richter ihn noch einmal umfassend aufrollen werden. Bei der juristischen Auseinandersetzung geht es im Kern um die Frage, ob Straßen.NRW eine Frist verpennt hat, wodurch der Planfeststellungsbeschluss seine Gültigkeit verloren hätte und das Bauprojekt seine rechtliche Legitimität einbüßen würde.
Im Jahr 2017 gab die schwarz-gelbe Landesregierung einigermaßen überraschend Grünes Licht für die Straße. In der Folge wurde auch schon ein Kreisverkehr an der Autobahnanschlussstelle Hückelhoven-Ost gebaut. Seither ist keine Bewegung mehr in den Straßenbau gekommen. Straßen.NRW verwies stets darauf, die Gerichtsurteile abwarten zu wollen.
Hätte es keine Klageverfahren gegeben, wäre der Bau der Trasse von der Autobahn durch das Wäldchen am Junkerberg bis zur L117 wohl längst im Gange. Die mit Kosten von knapp 20 Millionen Euro veranschlagte Straße soll im ersten Schritt vor allem die Anwohner an der Gladbacher Straße, am Markt und der Dienstühler Straße entlasten. Die Befürworter der Straße sehen die Ortsumgehung Hückelhoven nur als ein erstes Teilprojekt. Von der L117 aus soll sie dann als Ortsumgehung Hilfarth weitergeführt werden. Das würde in fernerer Zukunft wiederum die Anwohner an der Breite Straße entlasten. Letztlich könnte sie auch als Autobahnanschluss für das Großindustriegebiet in Lindern („Future Site InWest“) dienen. Das macht die Straße auch aus einer etwas übergeordneten Sicht zu einem bedeutenden Infrastrukturprojekt.
Die Argumente zwischen Befürwortern und Gegnern der Straße sind längst ausgetauscht. Die Diskussionen um die Straße mündeten in eine teils hitzige Debatte. Vor Gericht geht es nun jedoch nicht mehr um Sinn oder Unsinn der Straße. Über die Frage, ob die Straße nun weiter gebaut werden darf, entscheidet ein verwaltungsrechtliches Detail.
Ortsumgehung Baal
In Baal müsse sich etwas tun, sagt Achim Ortmanns, Hückelhovens Erster Beigeordneter. Die Frage ist nur, wann der Ort entlastet wird. Die Anwohner am Baaler Berg ächzen unter der immensen Verkehrsbelastung auf der B57. Auch weil der komplette Verkehr mit Lkw und Transportern von Hermes und QVC aus in Richtung Autobahnanschlussstelle Erkelenz-Süd mitten durch Baal rollt.
Die Lösung, dafür eine Ortsumgehung B57n zu bauen, erscheint nach aktuellem Stand unrealistisch. Denn für die Planungsbehörden bei Bund und Land muss eine Umgehung immer von Bundesstraße zu Bundesstraße gehen. Eine halbe Umgehung will der Bund nicht. Die Hückelhovener fänden die halbe Umgehungsstraße aber viel besser.
Vor rund 15 Jahren, sagt Ortmanns, habe es schon einmal einen Ansatz gegeben, die B57n zu planen. Sie wäre dann zwischen Granterath und Baal von der B57 in Richtung Baaler Industriegebiet abgeschwenkt, wäre auf die L117 getroffen und später zwischen Baal und Rurich wieder auf die B57 getroffen. „Das ist damals auf große Kritik gestoßen“, erinnert sich Ortmanns. Denn für den südlichen Teil der Umgehung in Richtung Rurich hätten Häuser abgerissen werden müssen, die Umgehung wäre zudem nah an Kirche und Altenheim verlaufen. Alles Dinge, die weder die Baaler noch die Hückelhovener Stadtverwaltung wollten.
Die Stadt Hückelhoven möchte jedoch den nördlichen Teil von der L117 zur B57 in Richtung Autobahn realisieren. Das wäre die sogenannte Bypass-Lösung. Die Stadt kann die Planungen nun selbst übernehmen, um aufs Tempo zu drücken. Nun darf man das Wort Tempo bei der Planung einer Straße nicht falsch verstehen. Das heißt noch lange nicht, dass die Straße bald gebaut wird. Ortsmanns sagt, dass man in diesem Jahr eine Umweltverträglichkeitsstudie angehen wolle. Diese zu erstellen, dauere ein bis eineinhalb Jahre, schätzt er. Und das wäre ja nur der Auftakt für die weiteren Planungen.
Schon dabei erwarten die Stadt einige offene Fragen. Von der L117 kommend müsste die Straße an einem kleinen Wäldchen vorbeilaufen. Ortmanns würde sie gerne an der „bebauungsfernen“ Seite vorbeiführen, verträglicher für die Umwelt wäre wahrscheinlich, die Straße an der Seite mit der Wohnbebauung am Wäldchen vorbeizuführen. Denn das würde Tieren den Wechsel vom Wald ins Feld erleichtern. In der Studie müsse folglich geklärt werden, wie rege der Wildwechsel dort überhaupt ist, sagt Ortmanns.
Weil die Planungen bei der Stadt Hückelhoven nicht einmal angelaufen sind, ist es müßig darüber zu sprechen, in welchem Jahr die Straße einmal gebaut werden könnte. Auch was die Kosten angeht, ist eine Schätzung noch sehr schwierig. Man wisse ja nicht einmal genau, wie lang die Straße wird, sagt Ortmanns. Im Spätsommer hatte Bürgermeister Bernd Jansen (CDU) noch die grobe Schätzung von zehn Millionen Euro Baukosten abgegeben. 30 Prozent davon wolle die Stadt aus eigener Tasche finanzieren, hatte Jansen damals gesagt.
Ortsumgehung Gerderhahn
Die Stadt Erkelenz will bei der Ortsumgehung für Gerderhahn in Eigenregie dafür sorgen, dass Bewegung in die Sache kommt. Dafür habe die Stadt eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit Straßen.NRW getroffen, um die nächsten Planungsschritte übernehmen zu können, wie Bürgermeister Stephan Muckel (CDU) sagt. „Wir würden die Straße baureif machen“, sagt Muckel. Denn Straßen.NRW sei derzeit stark überlastet, weswegen nicht damit zu rechnen sei, dass der Landesbetrieb die Planung zügig fortführen werde.
Die Stadt Erkelenz möchte nun in einem Verkehrsgutachten die Frage beantworten, ob die Umgehung für Gerderhahn und Golkrath oder nur für Gerderhahn gebaut werden sollte. Gerderhahn sei ein klassisches „Straßendorf“, dessen Anwohner stark vom Verkehr belastet seien, sagt Muckel. Dabei spiele auch das nahe Wegberger Gewerbegebiet eine wichtige Rolle. Das Verkehrsgutachten solle Mitte dieses Jahres erstellt werden, bis die Straße baureif ist, werde es jedoch Jahre dauern, sagt Muckel.