Heinsberger Zeitung vom 14.01.2022
Text und Bild: Dettmar Fischer
Interaktiv GEILENKIRCHEN-LINDERN Welche Auswirkungen hätte ein Industriegebiet bei Lindern auf den Ort? Und wie könnte es verkehrsmäßig angebunden werden? Diese und weitere Fragen gab es bei einer Online-Informationsveranstaltung.
130 Teilnehmer hatte die Online-Infoveranstaltung der Stadt Geilenkirchen zur Future Site InWest. Die Entwicklung des Industriegebietes für landesbedeutsame Großvorhaben auf 240 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche in Lindern durchläuft gerade die Aufstellung des Bebauungsplans bei der Stadt Geilenkirchen.
2021 war bereits die Gründung einer Gesellschafterversammlung unter Beteiligung der Städte Geilenkirchen, Heinsberg und Hückelhoven und des Kreises Heinsberg (jeweils 20 Prozent) sowie der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Heinsberg und der NRW Urban (jeweils 10 Prozent) erfolgt. NRW Urban hat für das Land NRW bereits 130 Hektar der in Frage kommenden Fläche erworben. Weitere 24 Hektar gehören der Stadt Geilenkirchen.
Gegründet hatte sich im vergangenen Jahr auch eine Bürgerinitiative, die Interessengemeinschaft Industriegebiet Lindern. Deren Mitglieder hatten das Gespräch mit der Politik gesucht. Ein Ergebnis war die Zusage einer Informationsveranstaltung für die Linderner Bürger, zu der die Stadt Geilenkirchen nun eingeladen hatte. Aufgrund der Coronalage hatte man das Format des Online-Meetings gewählt. Vielleicht wäre eine Präsenzveranstaltung vor Ort etwas lebhafter über die Bühne gegangen. Vielleicht war es aber auch der Komplexität des Sachverhalts geschuldet, dass ein Austausch von sicherlich vorhandenen kontroversen Meinungen etwas hinter den Statements der Politik zurückblieb.
Geilenkirchens Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld moderierte die zweistündige Veranstaltung. Sie bemühte sich, auch diejenigen Bürger mit einzubeziehen, die sich nicht persönlich zu Wort meldeten, sondern ihr Anliegen im parallel verlaufenden Chat vorbrachten. Da das Verfahren zur Entwicklung der Future Site InWest sich ganz am Anfang befinde, gebe es derzeit etliche Fragen, die auch die Politik noch nicht beantworten könne, stellte Daniela Ritzerfeld fest. Der größte Knackpunkt sei sicherlich die verkehrliche Anbindung des Industriegebietes.
Diese Meinung teilte die Geilenkirchener Bürgermeisterin mit den übrigen zugeschalteten Politikern wie dem Landtagsabgeordneten Bernd Krückel (CDU), dem Bundestagsabgeordneten Wilfried Oellers (CDU) und Landrat Stephan Pusch (CDU). Pusch machte deutlich, dass es keineswegs beschlossene Sache sei, dass am Ende des Prozesses, vielleicht in 15 Jahren, ein Industriegebiet in Lindern stehen werde. Denkbar sei auch, dass sich die Vorstellungen nicht realisieren lassen würden und man die Pläne aufgebe. Derzeit weht allerdings ein optimistischer, frischer Wind aus dem Braunkohlerevier hinüber nach Lindern. Der eingeleitete Strukturwandel nach dem geplanten Aus für die Braunkohle könnte üppige Fördermittel des Bundes zu dem auf 100 Millionen Euro geschätzten Investitionsvolumen dieses herausragenden Projekts bescheren.
Die beiden Geschäftsführer der neu gegründeten Entwicklungsgesellschaft, Holger Jansen (WfG) und Thomas Fischer-Reinbach (NRW Urban), stellten für die Teilnehmer der Online-Infoveranstaltung den Stand der Dinge in einer Präsentation dar, die ab Februar auch auf der neuen Homepage der Future Site InWest Entwicklungsgesellschaft einsehbar sein wird sowie auf der Homepage der Stadt Geilenkirchen. Dargestellt wurde unter anderem das Cluster-Verfahren, mit dem abschnittweise drei Flächen zu je 50 Hektar für Industrieunternehmen oder einen Verbund erschlossen werden sollen. Hinzu kommen drei Erweiterungsflächen.
Landrat Pusch sprach von einem grünen Industriegebiet, dies nicht nur in Bezug auf die Eingrünung der Fläche, sondern auch auf die Ansiedlung der Industrieunternehmen, die den Energiewandel einmal mitgestalten sollen. Die Gestaltung der Future Site InWest ist so innovativ, dass es in Deutschland noch keine Beispiele gibt. Zur Veranschaulichung wurde die grafische Darstellung eines dänischen Industrieparks mit weit angelegten Grünflächen gezeigt. Der dänische Park ist allerdings auch noch nicht gebaut.
Großes Interesse fand bei den Teilnehmern eine Karte, die Varianten der Verkehrsanbindung darstellt. Angedacht wird die Anbindung über die A46, Hückelhoven-Ost. Die Stadt Heinsberg regt eine neue Anschlussstelle der A46 zwischen Dremmen und Hückelhoven-West als Alternative zur ehemals abgelehnten K5n an, die unter anderem Randerath entlasten könnte. Ein Verkehrsgutachten soll die weitere Planung begleiten. Auch eine Anbindung über die Schiene ist angedacht.
Landrat Pusch räumte allerdings ein, dass sich eine Straße sicherlich leichter bauen lassen wird als eine Eisenbahnverbindung zum Bahnhof Lindern. Konsens herrschte bei den teilnehmenden Politikern darüber, dass die verkehrliche Anbindung Voraussetzung für Ansiedlungen sein muss. Die vorhandenen Straßen könnten dies nicht leisten.
Helmut Holländer eröffnete den etwas zögerlich einsetzenden Reigen der Fragesteller. Holländer engagiert sich in der Interessengemeinschaft Lindern für eine den Ort nicht zusätzlich belastende verkehrliche Anbindung des Industriegebietes. Die Interessengemeinschaft hatte im Gespräch mit dem Landrat eine Ostumgehung Linderns ins Gespräch gebracht. Andere Teilnehmer an diesem Abend befürchteten aber, dass ein Straßenring um Lindern die Entwicklung des Ortes einschränken könnte. Eine Wortmeldung äußerte sich sehr nachdenklich dazu, wie sich der Ort Lindern verändern wird, wenn das Industriegebiet gebaut wird. Lindern werde dann kein verschlafener Ort mehr sein, sondern eine Kleinstadt. Der teilnehmende Bürger meinte: „Ich als Linderner habe totale Ängste und Bedenken, wie der Ort in zehn bis 20 Jahren aussehen wird.“
Bedenken äußerte auch ein Teilnehmer, der auf dem Ackerland sein Brot verdient. Was werde mit den Menschen, die heute von dem Boden leben, auf dem das Industriegebiet entstehen soll, fragte er. Der Landtagsabgeordnete Bernd Krückel antwortete, dies sei sicherlich eine berechtigte Frage. Man müsse aber auch sehen, dass große Flächen bereits an das Land verkauft wurden und nun von Rückpächtern genutzt würden. Der Verkauf sei damals eine bewusste Entscheidung gewesen. Es gelte, in Lindern auch Ersatzarbeitsplätze für RWE Power zu schaffen. Bernd Krückel: „Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass so etwas nicht spannungsfrei vonstatten geht.“ Landrat Stephan Pusch sieht im Industriegebiet Lindern auch eine Chance, zukünftig Auspendlern einen qualifizierten Arbeitsplatz im eigenen Kreis bieten zu können. Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld verwies abschließend darauf, dass man derzeit auf Gutachten warte. Man sei noch lange nicht am Ende der Diskussion. Vielleicht sei im dritten Quartal des Jahres eine Präsenzveranstaltung möglich.