26.09.2017
Heinsberger Nachrichten
Der eine bleibt drin, der andere fliegt raus
Wilfried Oellers (CDU) tritt seine zweite Wahlperiode im Bundestag an. Norbert Spinrath (SPD) scheitert mit seinem Listenplatz 23.
Kreis Heinsberg. Der Kreis Heinsberg wird in den kommenden vier Jahren nur noch von einem Abgeordneten im Bundestag vertreten: vom Christdemokraten Wilfried Oellers aus Heinsberg, der am Sonntag das Direktmandat mit 45,6 Prozent der Erststimmen gewonnen hat. Der CDU-Politiker aus Heinsberg tritt seine zweite Wahlperiode im Parlament an. Erst am Montagmorgen stand fest: Norbert Spinrath aus Geilenkirchen bleibt der Wiedereinzug verwehrt, denn die Landesliste der NRW-SPD zog nur bis Platz 17. Spinrath rangierte an Position 23. Dieser Platz reichte ihm 2013 zum Sprung nach Berlin, nun aber nicht mehr. Der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion muss nach vier Jahren Zugehörigkeit zum Parlament die Politszene in der Hauptstadt wieder verlassen.
„Ich gebe zu: Das ist richtig bitter“, sagte Spinrath über sein Ausscheiden aus dem Bundestag. Bis tief in die Nacht hinein – bis gegen 5.30 Uhr – hatte er mit Mitstreitern im Wahlkreisbüro in Hückelhoven ausgeharrt, doch auf der Internetseite des Landeswahlleiters wollte die Information, welche Abgeordnete den Einzug über die Liste geschafft haben, einfach nicht auftauchen. Nach dem Aufstehen erfuhr er zu Hause – kurz vor 8 Uhr – die Nachricht vom Aus: „Da war ich nicht mehr ganz so überrascht.“ Denn schon in der Nacht hatte sich abgezeichnet, dass der Listenplatz 23 wohl nicht reichen würde. Da spielten verschiedene Aspekte eine Rolle: So waren mit der zurückgekehrten FDP und der erstmals eingezogenen AfD zwei weitere Parteien bei der Mandatsverteilung im Rennen. Und trotz der Verluste von mehr als fünf Prozentpunkten in Nordrhein-Westfalen gewann die SPD mit 26 Wahlkreisen fast so viele wie vor vier Jahren (27). Da halfen am Ende auch Ausgleichsmandate nicht weiter. Die Liste zog nur bis 17.
Fast rund um die Uhr sei er unterwegs gewesen, blickte Spinrath zurück auf den Wahlkampf. Er habe überall eine gute Stimmung gespürt. So habe die SPD ja auch im Kreis „völlig gegen den Trend“ mit 28,0 beziehungsweise 25,9 Prozent fast das Ergebnis von 2013 erreicht und mit Blick auf die absoluten Zahlen sogar um mehr als 1500 Stimmen zugelegt.
Als eine italienische Agentur am Montag von ihm eine Einschätzung zum Wahlergebnis und dessen europapolitischer Bedeutung erbat, wollte Spinrath den Kontakt zu einem anderen Gesprächspartner vermitteln, „da ich gar nicht mehr Teil der Zukunft bin“. Doch die Italiener hätten unbedingt ihn sprechen wollen. So etwas sehe er auch als eine Bestätigung seiner Arbeit an. Er habe eine Menge Themen aufgegriffen – in seiner Funktion als europapolitischer Sprecher, aber auch für den Wahlkreis.
Telefonanrufe von Fraktionskollegen und von der Fraktionsspitze am Montag mit der Botschaft, er solle jetzt nicht abtauchen, seien „ermutigend“, aber für Spinrath, der an diesem Dienstag 60 Jahre alt wird, ist klar: Die Rückkehr in seinen Beruf als Polizeibeamter steht an. Vor seinem Mandatsgewinn war er zuletzt in der NRW-Staatskanzlei für Europaangelegenheiten zuständig. Doch die Düsseldorfer Regierungszentrale wird ja bekanntlich nicht mehr von der SPD, sondern von der CDU geführt…
Bedauern über das Ausscheiden des Sozialdemokraten Norbert Spinrath äußerte am Montag auch sein christdemokratischer Mitbewerber Wilfried Oellers. Sie hätten in der politischen Arbeit ein gutes Miteinander in der Großen Koalition gepflegt. Oellers hätte es gerne gesehen, wenn es auch in der neuen Legislaturperiode „zwei Fürsprecher für die Region“ im Bundestag gegeben hätte.
Bei aller Freude über den eigenen Wahlsieg war bei Oellers (42) auch am Morgen nach der Wahl noch Ernüchterung spürbar angesichts deutlicher Verluste. Immerhin hatte er selbst rund 6500 Erststimmen eingebüßt, die CDU sogar fast 10 000 Zweitstimmen. Der bundespolitische Trend habe das Ergebnis der Union im Wahlkreis wesentlich beeinflusst. Es müsse jetzt Ursachenforschung betrieben werden. So hätten sich viele Wähler aus Unzufriedenheit für die AfD entschieden. In einigen Politikfeldern müsse geschaut werden, ob der eingeschlagene Weg der richtige sei. Auch wenn es den Menschen im Durchschnitt gut gehe, fühlten sich einige abgehängt. Das dürfe nicht sein, sie müssten mitgenommen werden. Was den Umgang mit der AfD angeht, so sei es zwar richtig, darauf hinzuweisen, welche Köpfe in dieser Fraktion zu finden seien, aber das alleine reiche nicht: „Wir müssen die AfD inhaltlich stellen.“ In der Jamaika-Koalition müsse jeder der Partner – CDU, CSU, FDP und Grüne – seinen Beitrag leisten. „Ich würde uns raten, dass sie zustande kommt.“ Denn wenn dies nicht gelinge und die SPD bei ihrer Entscheidung bliebe, in die Opposition zu gehen, „wären Neuwahlen die Konsequenz – ein fatales Zeichen für die politische Stabilität“. In der Großen Koalition sei die CDU oft das Bindeglied zwischen CSU und SPD gewesen, in der Jamaika-Koalition würde es wohl auch die CDU sein, „die den Laden zusammenhält“, erwartet Oellers. (disch)