23. Mai 2017
Rheinische Post/Erkelenz
Im Rahmen der Europawoche des Bundestages waren die Bundestagsabgeordneten, Wilfried Oellers (CDU) und Norbert Spinrath(SPD), zu Gast im Berufskolleg.
Die Schüler des Beruflichen Gymnasiums hatten sich gut vorbereitet. Da dies unweigerlich auch die rechtspopulistische Debatte über die EU berührt, nahmen Politiker und Schüler die Fragestellungen provozierend auf. „Auch wenn die Fragen klingen, als ob sie im rechten Lager formuliert wären, es liegt ein ernstes Problem zugrunde, das aber seriös behandelt werden kann“, so Schüler Michael Wagner, denn Debatte sei nicht gleich Debatte, aber schon gar nicht vereinfachende Stimmungsmache. Den Debattengedanken hatten sich die Politiklehrer Verena Gahr, Verena Jansen und Dr. Uwe Bilski vorgenommen und ein neues Debattenformat überlegt, dass sie „Speed Debating“ nennen.
Oellers wurde gefragt, ob der aufkeimende Rechtspopulismus eine Folge des vierzigjährigen Versagens der Politik der EU sei. Oellers sieht nicht die EU als den Auslöser gesellschaftsfähiger rechter Gedanken, für ihn sind es Einzelstaaten wie Polen und Ungarn. Diese bekommen die Empfindlichkeiten in ihrer nationalen Historie durch ihre politische Führung umgebaut zu einer antieuropäischen Haltung und zu nationalen Überbetonungen. Auch der Brexit zeige, wie eine Antihaltung gegenüber Europa die politische Zukunft der jungen Menschen und große Teile der Insel aufs Spiel setze. Nach Oellers könne die Jugendarbeitslosigkeit nur durch gesamteuropäische Anstrengungen überwunden werden.
Von den Schülern damit konfrontiert, dass in der EU sich die sozialen Probleme von Ost- nach Westeuropa verschieben und Armut ein Kennzeichen von Staaten wie Bulgarien und Rumänien sei, widersprach Oellers nicht. Aber er lehnt Forderungen rechtspopulistischer Strömungen ab, die eine Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit als Lösung sehen. Für ihn bedeutet Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht Sozialfreizügigkeit. Hier sei die deutsche Gesetzgebung in der Verantwortung.
Fördert die EU das organisierte Verbrechen osteuropäischer Banden? Spinrath vermag die seit der Osterweiterung 2004 einseitigen Blicke auf die Kriminalstatistik nicht hinnehmen. Unstrittig sei der Anstieg von Eigentums- und Gewaltdelikten, aber auch müsse erkannt werden, dass Polizeiarbeit zu einem Rückgang der Delikte führe, auch dürfe nicht übersehen werden, dass mehr als 70 Prozent der Taten von Deutschen verübt würden. Niklas Ellerbrock wollte wissen, ob die jetzt in der Diskussion stehende Schleierfahndung ein Mittel für bessere Polizeiarbeit sei. Dieses bayerische Konstrukt stelle für NRW keine Notwendigkeit dar, so Spinrath, denn die Polizei habe genügend Instrumente zur Hand, angemessen zu intervenieren. Spinrath lenkte den Blick auf die stärkste Waffe im Umgang mit Kriminalität, erfolgreiche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, damit Armut als Nährboden für Verbrechen wegfalle. Hier sah Oliver Tillmanns noch ein ungelöstes Problem, er verwies darauf, dass in Bulgarien jemand als arm gelte, der im Jahr mit 1100 Euro auskommen muss, in Deutschland liegt die Grenze bei 10.000 Euro. Spinrath will die Betrachtung um die Einbeziehung der landestypischen Kaufkraft ergänzt wissen, leitet aber zusätzlich aus dem Ost-Westgefälle die Forderung nach einem Aufbau eines europäischen Sozialsystems als notwendig ab, genauso wie den Kampf gegen Dumpinglöhne.
Die Schüler sahen ihre Sicht des EU-Europas gestützt und durch die Politiker vertreten. Für Schulleiter Jan Pfülb ist die Aktion gelungen.