Werkstatträtekonferenz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Teilhabe am inklusiven Arbeitsmarkt. Dazu gehören die 310.000 Werkstattbeschäftigten ebenso wie diejenigen, die von dort den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen.
Auf einer Werkstatträtekonferenz mit dem Titel „Werkstatt 2020 – Die Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen“ debattierte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Experten und Betroffenen über die anstehende Reform des Entgeltsystems für Werkstattbeschäftigte und deren Chancen auf einen regulären Arbeitsplatz.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus würdigte in seinem Grußwort die Arbeit der Werkstatträte, die sich nicht nur um die Arbeitsbedingungen in Werkstätten und die Entlohnung der Angestellten kümmerten, sondern auch einen Beitrag zum guten Arbeitsklima dort leisteten. Der Behindertenbeauftragte der Fraktion, Wilfried Oellers, betonte die Absicht der Fraktion, in regelmäßigen Abständen Konferenzen mit den Werkstatträten zu veranstalten, um die Rolle der Werkstätten als Teil des inklusiven Arbeitsmarkts stetig zu verbessern und auszubauen.
Entgeltsystem reformieren
In einem Entschließungsantrag vom Juni 2019 haben die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, wie ein „transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem“ für Menschen, die in Werkstätten arbeiten, entwickelt werden kann. Problem dabei ist, dass die Werkstätten in einem Spannungsverhältnis stehen: Sie sollen einerseits auf die Werkstattbeschäftigten zugeschnittene Teilhabeangebote zur Verfügung stellen, die Werkstattbeschäftigten auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereiten und wirtschaftlich verwertbare Arbeitsergebnisse erzielen. Mit dem Erlös aus ihren Produkten sollen sie Rehabilitationsleistungen finanzieren und Arbeitsentgelte auszahlen können.
Forschungsvorhaben ausgeschrieben
Zur Reform des Entgeltsystems schreibt das BMAS ein Forschungsvorhaben aus, wie der Leiter des Referats Teilhabe schwerbehinderter Menschen/Werkstätten für behinderte Menschen, Peter Mozet, verkündete. Die Wissenschaftler sollten ausloten, wie mehr Geld ins System fließen kann und wie verschiedene Leistungen zusammengefasst werden können. In einem zweiten Schritt sollten die Beschäftigten in Werkstätten selbst nach ihren Vorstellungen von einem gerechten Lohn befragt werden.
Werkstatträte für „Basisgeld“
Der Vorstand der Werkstatträte, Hinrich Nannen, forderte für die Beschäftigten als Alternative zum bestehenden Entgeltsystem ein Basisgeld. Es sollte aus einer Hand ausgezahlt werden und circa 70 Prozent des deutschen Durchschnittsverdienstes betragen. Damit läge das Gehalt wohl über dem Mindestlohn, sagte Nannen. Da Menschen mit Behinderungen schon genug benachteiligt würden, sei dies aber gerechtfertigt. „Anerkennung in unserer Gesellschaft wird über Geld dargestellt“, begründete er seine Forderung. Mozet erklärte, dass das Basisgeld ein Gegenstand sei, der im Zuge der Reform diskutiert werde.
Arbeitsförderungsgeld an Ausbildungsgeld knüpfen
Es gab aber auch Alternativvorschläge für die zukünftige Gestaltung des Werkstattentgelts. So kam von Konstantin Fischer Referent Recht, Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. , aber auch aus dem Publikum der Vorschlag, zukünftig nicht mehr den Grundlohn in den Werkstätten, sondern das Arbeitsförderungsgeld an die Erhöhung des Ausbildungsgeldes zu koppeln.
Mit diesen Vorschlägen rannten die Teilnehmer bei Wilfried Oellers offene Türen ein: Eine Kopplung des Arbeitsförderungsgeldes an das Ausbildungsgeld befürworte er sehr. Auf diese Weise hätten die Werkstattbeschäftigten mehr Geld in der Tasche, denn das Arbeitsförderungsgeld wird nicht auf andere soziale Leistungen angerechnet. Anders ist dies beim Werkstattentgelt, so dass die Werkstattbeschäftigten von dessen gerade gesetzlich geregelten Erhöhung im Ergebnis nichts hätten.
Rollentausch bei der Aktion „Schichtwechsel“
Was die Integration von Werkstattbeschäftigten in den ersten Arbeitsmarkt angeht, so wünschten sich die Fachleute auf dem Podium mehr Bewusstseinsbildung. Eigentlich sei der Sprung von der Werkstatt in ein Unternehmen nicht ganz so groß, meinte der Geschäftsführer des Verbundes für Integrative Angebote Berlin (VIA), Uwe Gervink. Oft spielten aber psychologische Hindernisse auf beiden Seiten – der Werkstattbeschäftigten und der potenziellen Arbeitgeber – eine große Rolle. Um diese abzubauen, gebe es beispielsweise die Aktion „Schichtwechsel“. Für einen Tag tauschen Werkstattmitarbeiter und Angestellte in herkömmlichen Betrieben den Arbeitsplatz.
Thomas Wendt, Head of Human Ressources, News Media National der Axel Springer AG, forderte mehr Mut von den Führungskräften der Unternehmen, Schwerbehinderte einzustellen. Er sprach sich dafür aus, auch Führungskräfte in den „Schichtwechsel“ zu schicken. Für die Unternehmen gehe es nicht nur darum, eine Quote zu erfüllen. Kollegen mit Schwerbehinderungen seien auch eine Bereicherung für die Betriebe. Die Quote beträgt für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern fünf Prozent. Unternehmen können aber alternativ eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Kleine Betriebe kennen Förderinstrumente nicht
Dass in den Unternehmen grundsätzlich Offenheit bestehe, sich mit dem Thema Inklusion auseinanderzusetzen, bestätigte Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Gerade kleine Betriebe hätten aber keinen Durchblick, was die Förderinstrumente angehe. Sie wünschten sich dafür einen Organisator und Koordinator. Jens Nitschke von der Bundesagentur für Arbeit nannte als wichtige Förderinstrumente Probebeschäftigungen, Eingliederungszuschüsse und das Budget für Ausbildung.