Das US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung (Inflation Reduction Act) ist zu Anfang des Jahres in Kraft getreten. Es sieht massive Subventionen in dreistelliger Milliardenhöhe für Investitionen in Klimaschutz, erneuerbare Energien und saubere Technologien in den USA vor. In der EU werden Wettbewerbsverzerrungen und eine Verlagerung von Industrie nach Nordamerika befürchtet. Ein Vorschlag der EU-Kommission zur Reaktion auf das US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung ist für den 1. Februar 2023 angekündigt.
Angesichts der Förderung der Industrie in Nordamerika und den hiesig stark gestiegenen Energiekosten muss Europa seine Standortbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Bundesregierung und EU-Kommission müssen sich in Washington, D.C. entschieden für eine Gleichbehandlung europäischer Unternehmen einsetzen. Die monatelange Untätigkeit der Bundesregierung gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa. Seit Monaten warten Wirtschaft und unsere europäischen Partner auf eine klare Position der Bundesregierung zum U.S.-Gesetz zur Inflationsbekämpfung. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Dazu zählt ein nationales und europäisches Belastungsmoratorium, eine Vertiefung insbesondere der transatlantischen Handelsbeziehungen und gezielte Anreize für Innovation und Investitionen in Europa. Daher haben wir unseren Leitantrag „Eine europäische Antwort auf das U.S.-Gesetz zur Inflationsbekämpfung geben – Standort Europa stärken, transatlantische Partnerschaft ausbauen“ eingebracht.
In einer von der Union beantragten Aktuellen Stunde haben wir über die nun endlich feststehenden Leopard-Lieferungen an die Ukraine debattiert. Die Unionsfraktion begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine.
Es ist im direkten strategischen Interesse Deutschlands, dass die Ukraine sich gegen Russland behauptet. Sicherheit in Europa wird es auf absehbare Zeit nur geben können, wenn die politische und militärische Abwehr des russischen Großmachtstrebens gelingt. Daher muss nun der nächste Schritt zur Ertüchtigung der Ukraine erfolgen. Mit seinem Zögern und Zaudern hat der Bundeskanzler ein direktes strategisches Interesse Deutschland gefährdet. Der außenpolitische Reputationsschaden des letzten Jahres ist enorm. Die osteuropäischen und baltischen Alliierten zweifeln an unserer Verlässlichkeit. Das deutsch-französische Verhältnis befindet sich auf einem Tiefpunkt.
Ein weiteres wichtiges Thema in dieser Woche ist die Wahlrechtsreform. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchten auch den Bundestag verkleinern, aber anders als die Koalition die Bürgerstimme stärken, statt schwächen.
Die Ampel hat uns am 15. Januar 2023 „exklusiv und vertraulich“ einen Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform übersandt – und auch unmittelbar der Presse zugespielt. Diesen Gesetzentwurf hat die Ampelkoalition nun in den Bundestag eingebracht und wir beraten ihn in dieser Woche in erster Lesung.
Kern des Vorschlags der Ampel ist eine feste Begrenzung des Bundestages auf 598 Abgeordnete bei 299 Wahlkreisen. Die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag orientiert sich dabei allein an den abgegebenen „Hauptstimmen“. Überhang- und Ausgleichsmandate werden abgeschafft. Wenn in einem Bundesland mehr Direktmandate anfallen als einer Partei nach dem Hauptstimmenergebnis zustehen, werden diese überhängenden Direktmandate „gekappt“. Mit anderen Worten: ein gewonnener Wahlkreis ist noch längst kein gewonnener Wahlkreis. Manche Wahlkreise werden so ohne Abgeordneten in Berlin sein. Die Bürgerstimme wird also entwertet.
Wir verhandeln auf verschiedenen Ebenen mit der Ampel über einen möglichen gemeinsamen Weg hin zu einer Wahlrechtsreform, welche die Bürgerstimme erhält und die Größe des Deutschen Bundestags spürbar reduziert. Der Bundestag hat sich diese Woche erstmals mit dem von den Ampelfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes befasst. Wir haben einem Antrag eingebracht, der ebenfalls in erster Lesung beraten wurde. Darin haben wir fünf Punkte für einen Kompromiss formuliert. Mit unseren Vorschlägen erhalten wir den Wert der Bürgerstimme. Wir stellen sicher, dass jeder Wahlkreis und damit jeder Bürger weiterhin einen Wahlkreisabgeordneten in Berlin hat. Der Deutsche Bundestag würde mit unseren Vorschlägen dennoch deutlich verkleinert und auf rund 600 Mandate reduziert. Die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate würde nur so klein ausfallen, dass sie kaum ins Gewicht fallen. Dieses Wahlrecht wären wir bereit, in einem großen politischen Konsens schnell im Deutschen Bundestag zu beschließen.
Die Woche im Parlament
I) Initiativen unserer CDU/CSU-Fraktion
Belarus in die europäische Völkerfamilie zurückführen – Den Freiheitswillen der Menschen unterstützen
Die Bürgerinnen und Bürger in Belarus haben sich im Sommer 2020 in ihrer überwiegenden Mehrheit für einen demokratischen Wechsel entschieden. Sie haben Lukaschenko und seinem Regime das Vertrauen und die Unterstützung entzogen. Mit friedlichen Protesten und Massenstreiks haben sie ihren Wunsch nach einem modernen, weltoffenen Land unterstrichen. Vom erzwungenen Exil aus setzen sich die demokratischen Kräfte, darunter vor allem Swetlana Tichanowskaja – die legitime Gewinnerin der Wahlen von 2020 – weiter für diesen Wandel ein. Auch im Land selbst setzen mutige Initiativen im Untergrund die Arbeit fort. Mit unserem Antrag, der in erster Lesung debatiert wurde, Belarus in die europäische Völkerfamilie zurückführen – Den Freiheitswillen der Menschen unterstützen fordern wir, dass sich Deutschland weiterhin innerhalb der EU und in Abstimmung mit engen Partnern für harte und gezielte Sanktionen gegen den gesamten belarussischen Sicherheits- und Geheimdienstapparat einsetzt. Außerdem sollen den Opfern von Gewalt, Repression und Folter großzügige Unterstützung gewährt werden. Die Einreise für belarussische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die nachweislich politisch verfolgt sind, ist zu erleichtern. Die Unterstützung für die demokratischen Kräfte, insbesondere für das von Swetlana Tichanowskaja geleitete Übergangskabinett im Exil, für die belarussische Zivilgesellschaft und für freie Medien ist politisch und finanziell unvermindert fortzusetzen und auszubauen.
Politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Lateinamerika stärken – Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten in Kraft setzen
Ebenfalls in erster Lesung haben wir über den Antrag „Politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Lateinamerika stärken – Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten in Kraft setzen“ beraten. Die EU und die vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay haben vor über 20 Jahren die Verhandlungen über ein gemeinsames Assoziierungsabkommen aufgenommen. Im Juni 2019 wurde eine politische Einigung über den Handelsteil des Abkommens erzielt. Mit dem Abkommen würde mit über 700 Millionen Einwohnern eine der größten Freihandelszonen der Welt entstehen. Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, sich mit Nachdruck für eine schnelle Ratifikation des EU-Mercosur-Assoziierungsabkommens einzusetzen. Ein solches Abkommen ermöglicht eine stärkere Diversifizierung und somit weniger Abhängigkeit von einzelnen Staaten.
Stärkung der beruflichen Bildung – Strukturierte Berufsorientierung ermöglichen und gleichwertige Qualifikationen konsequent sicherstellen
In abschließender Beratung haben wir uns mit dem von uns vorgelegten Antrag befasst, der die Stärkung der beruflichen Bildung – Strukturierte Berufsorientierung ermöglichen und gleichwertige Qualifikationen konsequent sicherstellen soll. Darin haben wir die Bedeutung der beruflichen Ausbildung als einem Standbein des starken deutschen Mittelstandes betont. Um dem Fachkräftemangel zukünftig zu begegnen, muss die Attraktivität der beruflichen Bildung wie auch die optimale und effektive Zusammenführung von Ausbildungsplatzbewerbern und Ausbildungsbetrieben gestärkt werden. Dies war Ziel des Antrages und sollte die Maßnahmen fortsetzen, die unter der CDU/CSU-geführten Bundesregierung bereits in der 18. und 19. Legislaturperiode begonnen wurden. Leider wurde er von der Koalition abgelehnt.
CO2-Abscheidung und –Speicherung, CO2-Nutzung sowie Negativemissionen – Chancen für Klima, Industrie und Wohlstand
Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Das hat die unionsgeführte Regierungskoalition mit der Verschärfung des 2019 verabschiedeten Klimaschutzgesetzes im Jahr 2021 beschlossen. Bereits bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Die Entscheidungen der Bundesregierung in der aktuellen Energiekrise machen es für Deutschland aber noch schwerer, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Mit unserem in den Bundestag eingebrachten Antrag Carbon Capture and Storage (CCS) / Carbon Capture and Utilization (CCU) und Negativemissionen – Chancen für Klima, Industrie und Wohlstand fordern wir: CO2-Abscheidung und -Speicherungstechnologien (CCS) und perspektivisch auch Nutzungstechnologien (CCU) sind mit Nachdruck voranzubringen. Wir verstehen sie als komplementäre Instrumente eines Innovationswettbewerbs. Sie ergänzen den für das Ziel der Klimaneutralität 2045 notwendigen und weiter zu beschleunigenden Ausbau der erneuerbaren Energien und energieeffizienter Produktionsprozesse, anstatt diese auszubremsen. Wir können uns den Luxus weiterer Entweder-oder-Debatten nicht mehr leisten. Die Ampel-Regierung ist jetzt gefordert, ihre angekündigte „Carbon Management Strategie“ zügig vorzulegen. Eine wirkungsvolle CCS- und CCU-Strategie kann einen Schutzschirm für Klima, Industrie und Wohlstand bilden. Unser Antrag legt für die nun folgende Diskussion in den Ausschüssen dafür 10 konkrete Punkte vor.
Nationale Wasserstrategie – Lösungsorientiert, nachhaltig und kooperativ umsetzen
Mit unserem Antrag Nationale Wasserstrategie – Lösungsorientiert, nachhaltig und kooperativ umsetzen stellen wir die Wichtigkeit der Ressource Wasser in all ihren Facetten dar. Mit unserer Initiative im Parlament machen wir deutlich, dass die Umsetzung der umfangreichen Strategie der Bundesregierung und des damit verbundenen Aktionsprogramms lösungsorientiert, nachhaltig, kooperativ und unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zu erfolgen hat. Der Antrag wurde rechtzeitig vor dem Kabinettbeschluss in das Plenum eingebracht, um zentralistischen und ideologiegetriebenen Tendenzen des bisherigen Entwurfs der Nationalen Wasserstrategie entgegenzutreten. Gerade bei der öffentlichen Wasserversorgung müssen die regionalen Gegebenheiten im Sinne des Subsidiaritätsprinzips weiterhin ausschlaggebend sein – und eben nicht bundeseinheitliche Vorgaben. Unser Antrag legt die Mängel der Strategie der Bundesregierung offen und gibt der Exekutive Umsetzungsleitlinien mit auf den Weg.
Wir hoffen, dass die Koalition trotz Ablehnung des Antrages im Bundestag, viele Themen unseres Antrags nun übernehmen wird.
Die wertvollen ökologischen Leistungen unserer Wälder anerkennen und ein entsprechendes Vergütungssystem für Waldbewirtschaftung schaffen
In unserem Antrag, der abschließend beraten wurde, haben wir die Bundesregierung aufgefordert, die Leistungen des Ökosystems Wald – sowohl seine CO2-Senkenleistung wie auch die Substitutionsleistungen der nachhaltigen Holznutzung – besser anzuerkennen. Darauf aufbauend soll ein Honorierungssystem entwickelt werden, mit dem Waldbesitzer eine finanzielle Anerkennung für die vielfältigen Leistungen des Waldes erhalten. Abschließend wurde die Bundesregierung aufgefordert, keine weiteren Extensivierungsmaßnahmen vorzunehmen. Sie soll sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass im Zuge der verschiedenen Strategien des Green Deals (wie Biodiversitätsstrategie bzw. EU-Waldstrategie für 2030) keine weiteren Flächen in den Wäldern stillgelegt werden, sondern für eine nachhaltige Bewirtschaftung erhalten bleiben. Leider wurde dieser Antrag mit den Stimmen der Ampel abgelehnt.
Sichere digitale Identitäten schnellstmöglich in Deutschland einführen
Digitale Identitäten sind der Schlüssel zur Digitalisierung Deutschlands. Mit unserem Antrag, der in erster Lesung debattiert wurde, fordern wir deshalb: Sichere digitale Identitäten schnellstmöglich in Deutschland einführen. Die Ampelregierung hat zwar die digitalen Identitäten als eines der Hebelprojekte in ihrer Digitalstrategie benannt, setzt diese aber nicht ausreichend um. Die Bundesregierung darf nicht wie im gesamten Jahr 2022 bei dem wichtigen Thema „digitale Identitäten“ weiter untätig bleiben, sondern muss die in der vergangenen Legislaturperiode angestoßenen Projekte weiterentwickeln. Wir fordern daher die Bundesregierung u.a. auf, noch im 1. Quartal 2023 eine Strategie für digitale Identitäten zu formulieren, die Zuständigkeiten für das Thema digitale Identitäten innerhalb Bundesregierung zu klären, und einen Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Authentifizierung mit staatlichen Stellen durch eine digitale Identität ab dem 1. Januar 2025 einzuführen.
II) Sonstige Tagesordnungspunkte
Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates
Zum Jahreswirtschaftsbericht 2023 hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Regierungserklärung abgegeben, und darüber hinaus haben wir über das Jahresgutachten 2022/23 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung debattiert.
Der Bericht hat die wirtschafts-, energie-, klima- und finanzpolitischen Schwerpunkte der Ampel dargestellt. Zudem wurde der Stand der Umsetzung in den einzelnen Schwerpunktbereichen skizziert. Wir sehen die bisherige Leistung der Ampel in der Wirtschaftspolitik sehr kritisch. Deutschland ist inmitten einer Energiekrise, für 2023 gehen Experten von einer Rezession aus. Zu bewältigen sind kurzfristige Herausforderungen (Inflation, hohe Energiepreise, gestörte Lieferketten etc.) als auch strukturelle Herausforderungen (relativ hohe Steuer- und Abgabenlast, wenig flexible Arbeitsmärkte, überbordende Bürokratie, zögerliche Digitalisierung, Fachkräftemangel, Klimaschutz etc.). Es geht um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland, um Wachstum und unseren Wohlstand. Der Jahreswirtschaftsbericht 2023 liefert kein schlüssiges Gesamtkonzept, um die Konjunktur in Deutschland wieder dauerhaft anzukurbeln. Er legt einen starken Fokus auf Fragen der Energie und des Klimaschutzes, klassische Wirtschaftspolitik ist dagegen Fehlanzeige. Dazu passt, dass die Wachstumsmessung aufgeweicht wird, indem stärker Indikatoren der Nachhaltigkeit und Wohlfahrt berücksichtigt werden. Jetzt braucht es dringend neue wirtschaftspolitische Impulse für einen „Restart“ der Wirtschaft und einen anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung. Insbesondere sollte eine De-Industrialisierung Deutschlands vermieden und Unternehmen, vor allem des Mittelstands, gezielt entlastet werden.