Tagesordnungspunkt 18:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
Befristungen im öffentlichen Dienst stoppen
Drucksachen 18/7567, 18/8376
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Erneut diskutieren wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Befristungen im öffentlichen Dienst stoppen“.
Ihre Forderungen sind trotz geänderter Überschrift die gleichen geblieben. Sie wollen die sachgrundlose Befristung, den Befristungsgrund zur Erprobung und die Möglichkeit der sog. Haushaltsmittelbefristungen abschaffen. Der Katalog der Sachgründe soll als abschließend angesehen werden und eine Sachgrundbefristung nur einmalig verlängert werden können.
Darüber hinaus fordern sie nun die Bundesregierung auf, darauf einzuwirken, dass im öffentlichen Dienst grundsätzlich unbefristete Stellen vorgehalten werden.
Natürlich sehen wir von der Union auch am liebsten nur unbefristete Arbeitsverhältnisse.
Aus unterschiedlichsten Gründen ist dies jedoch, das zeigt uns die Realität, nicht immer möglich.
Richtigerweise stellen Sie fest, dass Befristungen von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst häufiger vorzufinden sind als in der Privatwirtschaft.
Um die Befristungen dennoch in einer Gesamtschau darzustellen, sei erwähnt, dass nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2014 die Befristungsquote der Kernerwerbstätigen im Alter von 15 bis 64 Jahre bei 6,9% lag (ab 25 Jahre bei 8,1%). Dies ist der niedrigste Stand seit 2005. Damit zeigen die Zahlen bei genauer Betrachtung deutlich, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis die Regel ist und das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme ist.
Berücksichtigt man, dass vor 2005 die Erhebungen aufgrund einer ungenaueren Methode ermittelt wurden, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Werte sogar die niedrigsten der letzten 25 Jahre sind.
Und das, obwohl zwischenzeitlich ein Anstieg auf ca. 9% zu verzeichnen war. Stiegen die Befristungen bis 2010 im Rahmen der Wirtschaftskrise an, so ist seit 2010 ein stetiger Rückgang zu verzeichnen. So kommen Menschen auch in schwierigen Zeiten in Arbeit.
Diese Entwicklung kann doch nur als positiv bezeichnet werden. Sie zeigt vor allem auch, dass die Befristung ein wichtiges Flexibilisierungsinstrument ist, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten angemessen reagieren zu können.
Wenn dann in wirtschaftlich guten Zeiten die Befristungen rückläufig sind, dann zeigt dies auch, dass die Arbeitgeber verantwortungsvoll mit diesem Flexibilisierungsinstrument umgehen und es der wirtschaftlichen Situation angemessen anpassen.
Mit dieser Feststellung kann ich natürlich nicht ausschließen, dass in Einzelfällen Missbrauch betrieben worden ist bzw. betrieben wird. Diese Fälle sind aber mit der derzeitigen Rechtslage lösbar. Hierzu gilt es jedoch, die Gerichte anzurufen. Einzelne Missbrauchsfälle dürfen in meinen Augen nicht dazu führen, dass gesetzliche Regelungen verschärft werden. Damit verhindert man nicht die Missbrauchsfälle. Man verhindert sie nur dadurch, indem sie gerichtlich aufgeklärt und sanktioniert werden. Mit einer Verschärfung trifft man zu allererst diejenigen, die sich redlich verhalten, und schränkt diese weiter ein, da sie die neue Gesetzeslage umsetzen werden. Es kann aber nicht das Ziel sein, den Großteil der redlichen Unternehmer durch schärfere Regelungen zu bestrafen, nur weil es einige „schwarze Schafe“ gibt und diese mit dem geltenden Recht sanktioniert werden können.
Denn im Rahmen der Gesamtbetrachtung darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Befristung neben ihrer Flexibilisierungsfunktion auch eine Brücke für Arbeitslose in den Arbeitsmarkt darstellt.
Die Übernahmequote ist bemerkenswert. Bei 43% befristeter Neueinstellungen im Jahr 2014 wurde eine Übernahmequote von 58% erreicht. Tendenz steigend.
Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht von Dezember 2015 zu der Feststellung, dass gerade die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung häufiger als Brücke in den Arbeitsmarkt fungiert als andere Befristungsformen.
Das ist darauf zurückzuführen, dass sie eine unbürokratische und rechtssichere befristete Einstellungsmöglichkeit darstellt.
Berücksichtigt man all dies vor dem Hintergrund von Rekordbeschäftigungszahlen (über 43 Mio. Erwerbstätige und über 31 Mio. sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei aktuell 2,608 Mio. Arbeitslose, das ist eine Arbeitslosenquote von 5,9%, dem tiefsten Stand seit 25 Jahren), so zeigt dies, dass die derzeitige Rechtslage gepaart mit der guten wirtschaftlichen Situation die Menschen in Arbeit bringt. Und genau das ist doch unser Ziel.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren eine Befristungsquote von 23% ausweist, da sie in den folgenden Altersgruppen bis hin zur Altersgruppe von 55 bis 64 Jahren auf 3,7% sinkt. Dies zeigt: Auch wenn der Berufseinstieg zunächst durch eine Befristung erfolgt, so geht er in der Regel in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über.
Im öffentlichen Dienst ist festzustellen, dass bei einem Gesamtbefristungsanteil im Jahre 2014 von 10,3% der Schwerpunkt der Befristungen im wissenschaftlichen Bereich liegt. So stellt das IAB in seinem Forschungsbericht fest, dass die Befristungen dort lediglich 5,6% ausmachen, wenn man den wissenschaftlichen Bereich einmal ausklammert. Betrachtet man die Entwicklung von 2004 bis 2014, so stellt man zwar einen Anstieg von 4,3% auf 5,6% fest. Allerdings ist der Befristungsanteil seit 2010 leicht rückläufig (von 5,8% auf 5,6% bei einem Anstieg im letzten Jahr um 0,3%).
Eine derartige Quote ist vertretbar und erfordert keine gesetzlichen Veränderungen und schon gar keine Verschärfung der Rechtslage.
Anders muss man dies bewerten, wenn man die Befristungsanteile in wissenschaftlichen Einrichtungen ansieht, der etwa 50% der Befristungen im öffentlichen Dienst ausmacht. Die Entwicklung an dieser Stelle ist als sehr kritisch zu betrachten.
Lag der Befristungsanteil im Jahre 2004 insgesamt bei 26,3%, stieg er bis 2014 auf insgesamt 43,6% an.
Die Entwicklung im wissenschaftlichen Bereich bedurfte also einer gesonderten Betrachtung. Daher haben wir uns in der Koalition das Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 genauer angeschaut. Es regelt die Bedingungen für befristete Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter während der Qualifizierungsphase.
Die rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen des Gesetzes führten dazu, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur Ein-Jahres-Verträge erhielten und der erste Vertrag meist eine Laufzeit von unter einem Jahr hatte.
Diesen Fehlentwicklungen ist die unionsgeführte Koalition im letzten Jahr durch ein Änderungsgesetz entgegengetreten, mit dem unsachgemäßen Kurzbefristungen für junge Wissenschaftler künftig verhindert werden.
Damit ist ein wesentlicher Bereich der Befristungen im öffentlichen Dienst durch die unionsgeführte Koalition verbessert worden. Dies wird die Zahl der Befristungen insgesamt, aber besonders im öffentlichen Dienst reduzieren und den Menschen daher eine bessere Planungssicherheit geben.
Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht zu dem Ergebnis, dass befristete Beschäftigung im öffentlichen Sektor vielfach eingesetzt wird, um u.a. temporäre Personalausfälle zu kompensieren. Hier freut es mich, ein positives Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen zu können. Eine Behörde hatte insgesamt 4 Mitarbeiter im Wege der Schwangerschaftsvertretung befristet beschäftigt. Rechtlich war dies nicht zu beanstanden. Nach einigen Verlängerungen der Arbeitsverträge erneut im Wege der Schwangerschaftsvertretung, entschied sich der Behördenleiter, diese 4 Mitarbeiter unbefristet einzustellen, um den Mitarbeitern Planungssicherheit zu geben und weil er der berechtigten Annahme war, dass Schwangerschaftsvertretungen auch zukünftig erforderlich seien. Und besonders erfreut es mich, dass der Behördenleiter Mitglied der Union ist.
Sie sehen, meine Damen und Herren der LINKEN, die Union geht sehr verantwortungsbewusst mit dem Thema „Befristung“ um.
Die notwendigen Rechtsänderungen wurden bereits vorgenommen. Natürlich müssen wir als Gesetzgeber die Entwicklung weiter beobachten und ggf. weitere Änderungen veranlassen. Aber mit Augenmaß. Ihre Vorschläge haben dieses Augenmaß nicht. Als bewährtes Flexibilisierungsinstrument und als Brückenfunktion ist die Befristung in der jetzigen Form zu erhalten und kommt den Menschen damit im Ergebnis zu Gute.