Tagesordnungspunkt 23:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seearbeitsgesetzes
Drucksachen 18/6162, 18/6675
Anlage 8: Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seearbeitsgesetzes (Tagesordnungspunkt 23)
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Wir beraten heute in 2. und 3. Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seearbeitsgesetzes. Das am 1. August 2013 in Kraft getretene Seearbeitsgesetz hat das Seearbeitsübereinkommen 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) in nationales Recht umgesetzt und löste damit das völlig veraltete Seemanngesetz von 1957 ab. Mit diesem Gesetz hat Deutschland 2013 die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute an Bord von Kauffahrteischiffen gründlich verbessert und die Mindeststandards eingehalten werden.
Es war der Union ein wichtiges Anliegen, die besonders schwierigen Arbeitsbedingungen sowie sozialen Bedingungen der Seeleute unter die Lupe zu nehmen und klare sowie weltweit verbindliche Arbeitsbedingungen in deutsches Recht umzusetzen. Damit ist ein deutliches Signal zugunsten eines fairen Wettbewerbs im Bereich der Schifffahrt und für die Seeleute klare Voraussetzung für eine gute soziale Absicherung gesetzt worden.
Nun hat die Internationale Arbeitskonferenz der IAO auf ihrer Tagung in Genf am 11. Juni 2015 eine weitere Anpassung des Seearbeitsübereinkommens beschlossen. Ziel der Konferenz, das die Bundesregierung unterstützt, ist es, eine bessere Absicherung der Seeleute gegen finanzielle Risiken in Gefährdungssituationen zu gewährleisten.
Die Vertragsstaaten werden verpflichtet, ein effektives System der finanziellen Sicherheit zu etablieren. Dies wollen wir nun in deutsches Recht umsetzen. Wir in der Union begrüßen diese Verbesserung der Lage der Seeleute, die ihre Arbeit unter schweren körperlichen und psychischen Bedingungen verrichten. Es ist daher unerlässlich, dass die Schiffer und Matrosen auch in finanziellen Schwierigkeiten nicht allein gelassen werden.
Das bedeutet konkret, dass im Falle eines Fehlverhaltens durch den Reeder, wie bei einem „Imstichlassen“, Seeleute finanziell entschädigt werden. Besonders wichtig bei der Gesetzesänderung ist die Klärung des Begriffs „Imstichlassen“, der in der deutschen Sprachfassung der IAO als „Zurücklassen“ richtigerweise nicht übernommen worden ist. Im nationalen Recht haben wir eine andere Belegung dieses Begriffes und daher ist es von großer Bedeutung, dass die Neuregelung durch das Gesetz die rechtswidrige Pflichtverletzung des Reeders als „Imstichlassen“ bezeichnet.
Wir haben noch die Pressemeldungen des Jahres 2013 in Erinnerung mit dem Fall von Schiffsbesatzungen, die monatelang vor der deutschen Küste ankern mussten, weil der ausländische Schiffseigentümer sich nicht mehr um sie gekümmert hatte und sie ohne Lohn, Proviant und Kraftstoff zurückgelassen hatte. Diese unhaltbare Situation wollen wir verhindern und vor allem für die Klärung und Absicherung der finanziellen Ansprüche der beschädigten Seeleute sorgen.
Wir schaffen also die Voraussetzungen dafür, dass die Schiffsbesatzungen im Falle eines Bruchs des Arbeitsverhältnisses durch den Reeder ihre Heuer erhalten, und dies bis zu einer Dauer von vier Monaten, dass die Kosten ihrer Heimschaffung bis zu ihrem Wohnort vom Reeder übernommen werden, und nicht zuletzt, dass die grundlegenden Bedürfnisse der Besatzungsmitglieder wie zum Beispiel ausreichende Ernährung, Trinkwasservorräte, Unterkunft, aber auch Kraftstoff für das Schiff sowie ärztliche Betreuung an Bord finanziell abgesichert sind.
Dabei möchte ich hervorheben, dass Fälle des Imstichlassens durch deutsche Reeder bislang nicht bekannt sind. Beachtenswert ist, dass es seit 1958 keinen einzigen Heimschaffungsfall auf Schiffen deutscher Reeder gegeben hat. Erfreulich ist, dass die deutsche Flagge im internationalen Vergleich als sicher und verantwortungsbewusst gilt. Die Gesetzesänderung soll dies nicht infrage stellen. Sie sichert vielmehr die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seeschifffahrt im internationalen Kontext.
Eine weitere Änderung, die wir sehr begrüßen, ist die Pflicht des Reeders zur Entschädigung aller Seeleute oder deren Hinterbliebenen bei Tod oder Erwerbsunfähigkeit aufgrund von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten. Hier geht es darum, dass alle an Bord Beschäftigten abgesichert werden. Also sind auch diejenigen Seeleute betroffen, die nicht in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert sind und die nach Deutschland entsandt worden sind, aber in ihren Heimatländern versichert bleiben. Der Reeder garantiert nun die Entschädigung mit einer privaten Versicherung auch für diese an Bord tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Von besonderer Bedeutung bei dem Gesetzentwurf ist die Vereinfachung der Förderung der Sozialeinrichtungen für Seeleute von einer projektbezogenen Förderung auf eine institutionelle Förderung. Diese Anlaufstellen für deutsche und ausländische Seeleute sind wichtige Treffpunkte in den Hafenstädten.
Es sind meistens kirchliche Träger, die dank vieler ehrenamtlich Engagierten Seelsorge leisten und gegen die soziale Isolation der Schiffer und Matrosen arbeiten. An dieser Stelle muss das Engagement der Missionen gebührend gelobt werden. Mit dem neuen Gesetz vereinfacht sich der Verwaltungsaufwand für die Förderung. Und von der Umstellung profitieren nicht nur die Sozialeinrichtungen sondern auch die Seeleute. Die Träger der Missionen können sich auf ihre wertvolle seelsorgerische und unterstützende Aufgabe konzentrieren, und wären nicht mehr mit bürokratischen Angelegenheiten belastet.
Im Ergebnis führt dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung also für alle Betroffenen zu positiven Änderungen. Fairer Wettbewerb, angemessene Arbeitsbedingungen und finanzielle Absicherung der Seeleute, dafür setzten wir uns von der Union ein.