Heinsberger Zeitung vom 26.09.2021
Text: N.N.
Foto: Heinz Eschweiler
KREIS HEINSBERG Als der Wecker klingelt ist der Himmel noch blau. Räder werden aus Garagen geholt, Oldtimer poliert, ein ganz normaler Sonntag im Kreis Heinsberg? Könnte man meinen. Aber es ist Wahltag. Wir waren von 8 bis 18 Uhr für Sie im Kreis Heinsberg unterwegs.
10.15 Uhr: In Erkelenz auf der EAA wird es langsam voller. Silke Seffner aus Wassenberg hat per Brief gewählt. Sie unterstützt jetzt lieber ihren Ehemann Andreas dabei, die Ausstellungsfahrzeuge des Autohauses Königs für den zweiten Tag der EAA herauszuputzen. Nach dem Einsatz auf der Autoschau geht es nachmittags weiter nach Mönchengladbach, wo sie beim Auszählen der Briefwahlstimmen hilft.
11.30 Uhr: In Geilenkirchen-Beeck kräht ein Hahn und es riecht nach Kamille. Norbert Spinrath, Bundestagskandidat der SPD, isst Rührei im Bauern- und Erzählcafe. Er hat schließlich Geburtstag und wird heute 64 Jahre alt. Ob es ihm Glück bringt? Noch scheint die Sonne.
11.45 Uhr: Am Selfkantdom in Heinsberg läuten die Glocken. Probst Markus Bruns gibt seinen Schäfchen den Segen und den Satz „Falls Sie noch nicht gewählt haben, denken Sie an Ihre Kreuzchen!“ mit auf den Weg. Er hat schon vor der Messe gewählt, weil er die Bürgerbeteiligung an der Demokratie schätzt.
11.47 Uhr: Ein Wahltagsbaby! Savio Albshara kommt mit einer erstaunlicher Haarpracht im Heinsberger Krankenhaus zur Welt. Seine Mama Rana Albutros (30) strahlt. Sie ist vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen. Savios Papa ist bereits eingebürgert und darf in Deutschland wählen.
12.39 Uhr: In der Grundschule in Keyenberg, ja im alten Keyenberg, das dem Tagebau Garzweiler weichen soll hat Barbara Ziemann-Oberherr gerade gewählt. Sie hat ihr Grundstück noch nicht verkauft und sagt, dass sie damit einen großen Beitrag zum Klimaschutz geleistet hat. Sonst hätte RWE Keyenberg längst schon rückgebaut. „Ich denke nicht nur an die Zukunft meiner Kinder, sondern auch an die aller Kinder der Welt“, sagt sie und hofft, dass der Kohleausstieg bereits 2030 kommt. Derweil sitzt der neue Bezirksleiter der IG BCE Helge Herrwegen als Wahlhelfer in Wesseling und wünscht sich genau das Gegenteil, nämlich, dass es beim Ausstieg zum Jahr 2038 bleibt, weil die Mitglieder der Gewerkschaft auf Vertragssicherheit hoffen. Alles ist auf 2038 ausgerichtet. Zwei Herzen, zwei unterschiedliche Wünsche.
13.47 Uhr: In Geilenkirchen ziehen sich die Wolken zu. Es fallen ein paar Tropfen, obwohl Wilfried Oellers’ Wetter-App anderes prophezeit hat. Der Bundestagskandidat der CDU im Kreis Heinsberg fährt Rad. Am Nirmer Lädchen hüpfen seine zwei Kinder vergnügt auf der Hüpfburg herum und seine Frau Sara ist froh, dass er endlich ein wenig Zeit für die Familie hat.
14.05 Uhr: Die Besucher der Vernissage der neuen Sonderausstellung zum „Mythos Loreley“ im Heinsberger Begas-Haus schlendern noch ein wenig durchs Museum. Natürlich war auch die Bundestagswahl neben all der Kunst Thema. Künstlerin Ursula Pahnke-Felder, die mit „ihrer“ Loreley um die Wette funkelt, bedauert, nicht wählen zu dürfen, weil sie bereits seit 40 Jahren in den Niederlanden lebt. Sie hätte gerne für mehr Engagement der Politik in Zeiten des Klimawandels gewählt. Museumsleiterin Dr. Rita-Müllejans-Dickmann hat schon zuvor per Brief gewählt. Sie bedauert, in keinem der Wahlprogramme namhafter Parteien Aussagen zu einer auch finanziellen Verstärkung der Kulturförderung gefunden zu haben, die sie sich so sehr wünscht.
14.32 Uhr: In Scherpenseel startetet auf den Dressurtagen die S***-Prüfung. Ralf Wetzler, erster Vorsitzender beim Reiterverein Scherpenseel, kann in der auf dem Vorbereitungsplatz entspannt seiner Tochter beim Reiten zuschauen. Er hat seine Stimme bereits vor einigen Tagen abgegeben: „Ich mache seit Jahren Briefwahl. Die Wahlen kollidieren regelmäßig mit unseren Turnieren.“ Auch auf dem Turnier wirbt er unter den Besuchern noch einmal um den Wert jeder einzelnen Stimme. Ansonsten ist er mit dem Verlauf des Turniers sehr zufrieden. „Reiter und Richter loben den neuen Außenplatz“, sagt Wetzler. Die Flutlichtkür am Vorabend sei wieder ein großer Erfolg gewesen. „Wir hatten so viele Zuschauer hier, dass uns gegen Ende die Getränke ausgegangen sind“, verrät der Vorsitzende.
14.55 Uhr: „Bei mir bist Du schön“, singt eine Band auf dem Kulinarischen Treff zwischen den Tischen der schmausenden Genießerinnen und Genießern. Dignanllely Meurer (Grüne) schlendert entspannt durch die Erkelenzer Innenstadt. Der leichte, warme Herbstregen macht ihr nichts aus. Ob sie aufgeregt ist, wegen heute Abend? „Nö, ich kann jetzt eh nichts mehr machen“, sagt sie und freut sich auf den Besuch bei ihrer Oma am Nachmittag.
16.22 Uhr: Eine historische Lok hält dampfend in Birgden, schließlich ist nicht nur Wahltag, sondern auch das Herbst und Erntedankfest der Selfkantbahn.
18 Uhr: Im Kreishaus sind die großen Bildschirme eingeschaltet. Greta und Mathilda laufen los. Jetzt sind sie endlich dran. Ihr Ziel: die Melkstation. Ihnen ist egal, dass jetzt der Puls der Politiker und Politikerinnen beim Blick auf die Hochrechnungen hochschnellt. Es gibt drängendere Dinge. Auf dem Hof von Herbert Schiffer ganz im Westen Deutschlands in Waldfeucht-Bocket, wo die Zipfelmilch herkommt, ist jetzt nicht Wahl-, sondern Melkzeit. Ihr Chef Herbert Schiffer hofft, dass in der künftigen Regierung nicht nur Menschen über die Bauern reden, die nur wenig Ahnung von der Landwirtschaft haben. „Wichtig ist, dass die Politiker mit uns reden.“ Mathilda und Greta wären bestimmt gerne dabei.