Heinsberger Zeitung, 29 07.2019
Text und Foto: Anna-Petra Thomas
KREIS HEINSBERG Einen kompetenten Referenten hatte Wilfried Oellers mit Rudolf Henke, einem CDU-Kollegen aus dem Bundestag, in die Kreisgeschäftsstelle der Partei eingeladen, um über zwei aktuelle Gesundheitsthemen zu informieren und zu diskutieren.
Beide Themen würden derzeit im Bundestag diskutiert, und sie seien für ihn als dem Behindertenbeauftragten seiner Fraktion natürlich von ganz besonderem Interesse, erklärte Oellers in seiner Begrüßung. Bei der Organspende gehe es um die Frage, ob ein Mensch sich aktiv für eine Organspende entscheiden solle oder ob er ihr künftig nur widersprechen könne. Bei der Pränataldiagnostik werde die Frage diskutiert, ob der der Bluttest auf Trisomie 21 künftig wie jetzt schon von den privaten auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden solle.
„Das sind zwei furchtbar schwierige Themen, weil sie so viel mit Leben und Tod zu tun haben“, erklärte Henke zu Beginn seines Vortrags. „Es ist egal, wie geschult man da in politische Debatten geht. Da sind alle ein kleines Stück beklommen.“ Sehr detailliert schilderte der Mediziner sodann, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, damit überhaupt eine Organentnahme zulässig ist. Dabei sei die Regelung heute so, dass eine Willenserklärung des Spenders vorliegen müsse oder die Angehörigen bezeugen könnten, dass die Organentnahme vom Spender gewollt sei.
Laut einer Befragung stünden heute 80 Prozent der Menschen in Deutschland einer Organspende positiv gegenüber, nur 36 Prozent hätten aber einen Ausweis. 9000 Menschen harrten derzeit auf der Warteliste aus und drei von ihnen würden täglich sterben, so Henke weiter. Bei der sogenannten Entscheidungslösung, die derzeit diskutiert werde, würden die Menschen im Alter ab 16 Jahren drei Mal Post erhalten mit der Aufforderung, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden. Die ebenfalls diskutierte Alternative ist die sogenannte doppelte Widerspruchslösung. Demnach gilt jeder als möglicher Spender, solange er seinen Widerspruch nicht erklärt hat. Wenn auch den Angehörigen kein entsprechender Wille bekannt ist, soll die Organentnahme zulässig sein.
Eingriff in Grundrechte
Drei Gründe würden gegen die Widerspruchslösung sprechen, so Henke. In Deutschland gelte das „informierte Einverständnis“. Der Bürger sei nur mit dem einverstanden, was er aktiv erklärt habe. Der Eingriff in die Grundrechte sei beträchtlich, und die Diskussion sei sehr emotionalisiert. Wenn die doppelte Widerspruchslösung beschlossen werde, gebe es Kampagnen gegen die Organspende, die einen großen Effekt haben würden, prognostizierte er „Da hätten wir dann mit Zitronen gehandelt, statt wirklich etwas zu verbessern“.
Mit dem Bluttest könne noch vor Ende der zwölften Schwangerschaftswoche festgestellt werden, ob das Kind das Down-Syndrom habe, erklärte Henke. Es gebe inzwischen jedoch schon mehr als 400 verschiedene Tests, mit denen sich ganz unterschiedliche Merkmale bestimmen ließen.
Bei der anschließenden Diskussion ging es dann vor allem um die Organspende, wohl auch aufgrund der direkten Betroffenheit der Zuhörer. Begriffe wie „ausweiden“ fielen da bei den Gegnern der Widerspruchslösung. Die Befürworter, zum Teil selbst Betroffene, führten hingegen auch ins Feld, dass viele andere Staaten sich bereits für die Widerspruchslösung entschieden haben, sie aber in Form einer Entscheidungslösung praktizieren, wie beispielsweise in Spanien, wo laute Henke die Organspende eine Selbstverständlichkeit sei.
Beim Bluttest müssten sich die Betroffenen im Vorhinein darüber im Klaren sein, was sie mit dem Ergebnis tun würden, erklärte Henke. Wer sich schon für das Kind entschieden habe, der müsse den Test doch gar nicht machen. „Das ist das eigentlich ethische Problem“, sagte er. Der Druck der Industrie zu diesen Testverfahren werde riesig sein, so der Referent weiter. Aber es könne nicht sein, dass Kinder im Mutterleib schon „Qualitätssicherungsmaßnahmen“ unterworfen würden. Eine Stimme aus dem Zuhörerkreis hielt mit dem Argument dagegen, dass bestimmte Tests aber auch dazu genutzt werden könnten, Kinder schon im Mutterleib zu behandeln. Fakt sei, so erklärte Henke weiter, dass sich aufgrund eines Pränatal-Screenings in Dänemark die Zahl der Kinder mit Down-Syndrom inzwischen halbiert habe.
Zum Abschluss nach zweieinhalb Stunden Vortrag und teils sehr emotional geführter Diskussion, erklärte Oellers, dass er selbst bei beiden Themen noch sehr unentschlossen sei, obwohl er sich bereits sehr intensiv damit befasst habe. Sein Wunsch ist, dass ihm die Bürger im Kreis Heinsberg ihre eigene Meinung dazu übermitteln lassen, gerne per E-Mail an wilfried.oellers.wk@bundestag.de.