Rheinische Post, 11.06.2022
Text: Daniela Giess
Bild: Ruth Klapproth
Wegberg Die Schule am Grenzlandring gestaltete erstmals den Anne-Frank-Tag. Dabei befassten sich die Schüler auch mit dem Schicksal von Menschen jüdischen Glaubens in Wegberg.
Freundschaft. Zwischen dem jüdischen Mädchen Anne Frank und ihrer imaginären Freundin Kitty. Die zarte Liaison zwischen Anne und ihrem Mitbewohner Peter van Pels, der in der Veröffentlichung ihres weltberühmten Tagebuchs das Pseudonym Peter van Daan trägt. Die Beziehung zu ihrer älteren Schwester Margot, der sichere Bund ihrer Eltern Otto und Edith Frank zu ihren treuen Helfern, die sie im geheimen Versteck im Amsterdamer Hinterhaus mit Lebensmitteln, Lesestoff und vielem mehr versorgten. Zum bezeichnenden Motto Freundschaft hatten die Neuntklässler der Wegberger Schule am Grenzlandring ihren ersten Anne-Frank-Tag auf die Beine gestellt, dessen gelungene Premiere auf große Resonanz stieß.
Die Mädchen und Jungen der Hauptschule mit dem Wahlpflichtunterricht (WPU) Geschichte unter der Leitung von Birgit Gravermann hatten sich vorher schon intensiv mit dem furchtbaren Schicksal der jüdischen Tagebuchschreiberin auseinandergesetzt. Danny Hommen, Maxim Lies, Maya Rohloff und Melina Tutko trugen mehrere Passagen aus dem weltberühmten Tagebuch vor. Dabei stellte das junge Moderatoren-Quartett auch Alex Salm vor, dem einzigen Wegberger Juden, der den Holocaust überlebte.
Bei ihren umfangreichen Recherchen hatten die Hauptschüler herausgefunden, dass insgesamt neun jüdische Mitbürger zur Zeit des Nationalsozialismus in der Mühlenstadt lebten – alle gehörten zur Familie Salm. Sie besuchten die beiden ehemaligen Wohnhäuser der Familie, beschäftigten sich eingehend mit Alex Salm, der im September 2004 in Köln verstarb und keine Nachkommen hat. In Riga habe er schwere Zwangsarbeit leisten müssen und sei im KZ gewesen, erläuterte Danny Hommen.
Die informativen Stellwände hatten die Neuntklässler beim Anne-Frank-Zentrum in Berlin ausgeliehen, das direkt am Hackeschen Markt seine internationalen Besucher mit seiner bekannten Namensgeberin bekannt macht und quasi ein „Ableger“ des Anne-Frank-Hauses im niederländischen Amsterdam ist.
Viele Besucher folgten der Einladung der Wegberger Schüler zum ersten Anne-Frank-Tag, darunter die stellvertretende Landrätin Andrea Reh und der Bundestagsabgeordnete Wilfried Oellers. Die Erste Beigeordnete Christine Karneth sowie Gerd Pint als zuständiger Fachbereichsleiter für Bildung und Soziales vertraten die Stadtverwaltung. Von ihnen wollten die jungen Wegberger wissen, was die Stadt unternehme, um rechtsradikalen Tendenzen einen Riegel vorzuschieben. Diese Straftaten würden zur Anzeige gebracht, oft sei es aber schwer, die Täter zu ermitteln, räumte die Beigeordnete Karneth ein.
Bei ihren umfangreichen Recherchen hatten die Mädchen und Jungen herausgefunden, dass rechte Straftaten zwar insgesamt aktuell abnähmen, antisemitische Delikte jedoch anstiegen. „Jede Tat ist eine Tat zu viel“, machte Geschichtslehrerin Gravermann deutlich. Knapp 30 farbenfroh bemalte und beschriftete Stolpersteine sollen künftig auf dem Schulgelände an Anne Frank, ihre Familie, die Mitbewohner im Amsterdamer Hinterhaus, ihre Helfer sowie ihre drei besten Freundinnen erinnern. Auch der Wegberger Jude Alex Salm soll durch einen eigenen Stolperstein nicht in Vergessenheit geraten.
„Wir möchten auch gerne Patenschaften für die Stolpersteine übernehmen, die im Wegberger Stadtgebiet bereits verlegt sind“, so Schulleiter Markus Monjeamb. „Wir möchten diese Steine sauber halten.“ Das Schicksal des berühmten jüdischen Mädchens lässt die Wegberger Schüler nicht los. Sie besuchen am Dienstag das Anne-Frank-Dokumentationszentrum in Amsterdam, werden dabei auch das geheime Versteck besichtigen. Eine Berlin-Reise ist für das kommende Frühjahr geplant. Dann werden die Jugendlichen nicht nur das Anne-Frank-Zentrum aufsuchen, sondern auch weitere wichtige Gedenkstätten näher kennenlernen.