Heinsberger Zeitung, 20.,04.2021
Text: (red/dpa)
Foto: dpa/Miachael Kappeler
Update AACHEN Armin Laschet soll Kanzlerkandidat der Union werden – dafür sprach sich der CDU-Vorstand in der Nacht nach langen Beratungen deutlich aus. Politiker aus unserer Region begrüßen die Nominierung.
In einer digitalen Sondersitzung des CDU-Vorstands hatten in der Nacht zum Dienstag 31 von 46 stimmberechtigten Vorstandsmitgliedern in geheimer Wahl für den eigenen Parteivorsitzenden Armin Laschet als Kanzlerkandidaten plädiert. Neun stimmten für Söder, sechs enthielten sich.
CSU-Chef Markus Söder hat das klare Vorstandsvotum der CDU für ihren Parteichef Armin Laschet als Kanzlerkandidaten der Union akzeptiert. „Mein Wort, das ich gegeben habe, gilt“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag in München. „Die Würfel sind gefallen, Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union.“ Er werde Laschet ohne Groll und mit voller Kraft unterstützen. Nun gehe es darum zusammenzustehen. Söder zieht damit rund zwölf Stunden nach dem Beschluss des CDU-Führungsgremiums seinerseits einen Schlussstrich unter den seit mehr als einer Woche bestehenden Machtkampf mit Laschet um die Kandidatur.
In unserer Region melden sich derweil erste Unterstützer aus den Reihen der CDU zu Wort:
Kreis Düren
Ralf Nolten, Landtagsabgeordneter für den Kreis Düren aus Kreuzau, kann nachvollziehen, dass die langen Diskussionen Unverständnis aufwerfen. Andererseits betont er: „Betrachten wir die Sache umgekehrt: Was wäre passiert, wenn die CDU im stillen Kämmerlein beschlossen hätte und die Grünen hätten öffentlich diskutiert? Dann hieße es: typisch CDU, da wird wieder gekungelt.“ Armin Laschet, den er aus seiner Arbeit im Düsseldorfer Landtag gut kennt, würde laut Nolten unterschätzt – insbesondere dessen Fähigkeit, „ringen“ zu können. „Dafür nimmt er sich Zeit und will jeden mitnehmen. Ich glaube nicht, dass das ein Nachteil ist.“ Nolten halte den Vorwurf, Lascht sei in der Corona-Krise „wankelmütig“, für ungerechtfertigt.
Stefan Weschke, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Düren, unterstützt Laschet deutlich: „Ich habe Armin Laschet immer schon für den besseren Kandidaten gehalten, nicht zuletzt aufgrund des besseren Umgangs mit der Corona-Krise. Am Ende des Tages geht es für die Partei jetzt darum, das sehr belastende Kanzlerkandidaten-Verfahren so schnell wie möglich zurückzulassen und zu alter Stärke zurückzukehren, um mit ganzer Kraft im September das Kanzleramt verteidigen zu können. Auch ich weiß, dass Markus Söder in Umfragen die besseren Werte hat, aber Umfragen sind immer nur eine Momentaufnahmen. Bei der NRW-Landtagswahl 2017 hat Armin Laschet auch lange zurückgelegen und dann doch gegen die sehr populäre Hannelore Kraft gewonnen.”
Thomas Venrath, Fraktionsvorsitzender der CDU Linnich, sagte unserer Zeitung: „Ich hätte mir eine Mitgliederbefragung erhofft. Eine basisdemokratische Entscheidung bis Pfingsten – das wäre ein starkes Zeichen gewesen. Jetzt ist die Entscheidung aber gefallen und wir können verdammt gut damit leben.“
Städteregion Aachen
Kritisch stufte Karl-Jürgen Schmitz, Fraktionsvorsitzender der CDU in Würselen, die Entscheidung ein. Er hatte bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, Markus Söder für den deutlich geeigneteren Kandidaten zu halten. Und auch nach der Entscheidung der Bundesvorstands pro Laschet machte er am Dienstag keinen Hehl daraus, diese für einen schwerwiegenden Fehler zu halten. „Es macht mich fassungslos. Ich verstehe nicht, wie eine Partei, die immer eine große Volkspartei war, sich so über die Meinung des überwiegenden Teils der Bevölkerung und vor allen Dingen des überwiegenden Teils unserer Mitglieder hinwegsetzen kann“, erklärte Schmitz gegenüber unserer Zeitung. „Ich gehe seit 40 Jahren mit der CDU durch Dick und Dünn, aber daran werde ich erstmal ein paar Tage zu knabbern haben.“ Laschet sei nicht nur im Vergleich zu Söder, sondern sogar im Vergleich zur jüngst bekannt gegebenen Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, die schwächere Führungspersönlichkeit.
Florian Weyand, Vorsitzender der CDU Alsdorf und Mitglied im Landesvorstand der Jungen Union, hatte vergangene Woche Markus Söder als den an der Basis beliebteren Politiker eingestuft. Dennoch begrüßte er am Dienstag, dass nun eine Entscheidung gefallen ist. „Jetzt können wir loslegen und in den Wahlkampf starten. Armin Laschet ist ein starker Kandidat, der bei der Landtagswahl bewiesen hat, dass man nicht nur nach den Umfragewerten gehen muss. Die können nämlich auch kippen.“ Gegenüber Söder zeichne Armin Laschet als ehemaliger EU-Abgeordneter die größere Erfahrung auf der europäischen Bühne aus. Weyand hatte vergangene Woche noch mit der verbreiteten Forderung geliebäugelt, dass die Mitglieder der beiden Schwesterparteien CDU und CSU über den gemeinsamen Kanzlerkandidaten entscheiden sollten. Dem wurde zwar nicht entsprochen. Dennoch kann er gut damit leben, dass nun der CDU-Vorstand entschieden hat. „Der Bundesvorstand ist ja kein Hinterzimmer, sondern ein gewähltes Gremium. Wir sollten die Entscheidung akzeptieren.“
Nach dem Söder-Statement am Mittag sagte der städteregionale CDU-Landtagsabgeordnete Hendrik Schmitz gegenüber unserer Zeitung: „Ich bin froh, dass die Entscheidung gefallen ist, und ich freue mich über ihr Ergebnis. Armin Laschet hat schon oft bewiesen: Er gewinnt Wahlen, gerade wenn die Umstände schwierig sind.“ Und er sei ein exzellenter Regierungschef: „Er hat die Stärke, unser Land zu führen. Und genauso wichtig: Er hat Persönlichkeit und Charakter, Menschen in diesen schwierigen Zeiten zusammenzuführen.“ Unglücklich sei er, so Schmitz, „wie viele andere auch“, über die zurückliegende Woche. Klar sei: Laschet könne sich auf die CDU in der Städteregion verlassen. „Wir werden uns mit viel Herzblut dafür einsetzen, dass einer aus unserer Heimat Kanzler wird.“
Thomas Schlenter, Stadtverbandsvorsitzender der CDU in Eschweiler, verweist auf die Erfolge, die Armin Laschet in NRW geleistet habe: „Armin Laschet hat in Nordrhein-Westfalen – einem Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern – unter Beweis gestellt, souverän zu regieren und dabei vermeintliche Gegensätze wie Stadt und Land oder die Erhaltung von Industriearbeitsplätzen gegenüber der ökologischen Neuausrichtung des Landes zu überbrücken. Er ist im besten Sinne Brückenbauer mit einem klaren Programm zur Bewältigung der zentralen Zukunftsaufgaben dieses Jahrzehnts und daher ein hervorragender Kanzlerkandidat für CDU und CSU.“
Jochen Emonds, Vorsitzender der CDU Stolberg, kritisiert das Verfahren der Kanzlerfindung: „Armin Laschet ist ein sehr guter Ministerpräsident, der in NRW hervorragende Arbeit leistet. Das zurückliegende Verfahren der Kanzlerfindung halte ich jedoch für gänzlich ungeeignet. Man hätte die Basis vor Ort einbinden müssen, die eine klare Präferenz artikuliert hat. Dies ist auch in Stolberg spürbar. Auch wenn man festhalten kann, dass die Kanzlerkandidaten von Grünen und SPD in einem viel kleineren Kreis bestimmt worden sind, hat die Union die große Chance vertan, ihren Kandidaten durch eine breite Abstimmung mehrheitsfähig aufzustellen.“
Bernd Goffart, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes Simmerath und Simmerather Bürgermeister erklärt gegenüber unserer Zeitung: „Ich schätze die ausgleichende Art von Armin Laschet.“ Er spreche und handele besonnen und sei ein Teamplayer. „Wir brauchen jetzt keinen Kandidaten, der polarisiert, sondern Deutschland braucht gerade während und nach Corona jemanden, der zusammenführt und nicht populistisch agiert“, fügte Goffart hinzu.
Kreis Heinsberg
Wilfried Oellers, Bundestagsabgeordneter für den Kreis Heinsberg, ist froh, dass die dringende Frage der Kanzlerkandidatur für seine Partei nun endlich Klärung gefunden hat. Auch, wenn er sich grundsätzlich eine Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt und einen anderen Umgang mit diesem Thema gewünscht hätte, begrüßt er, dass das Votum zugunsten Laschets ausfiel. „Armin Laschet und Markus Söder sind beide erfolgreiche Ministerpräsidenten, allerdings halte ich persönlich Laschet für einen besseren Kandidaten und womöglich später auch Kanzler“, räumt Oellers ein. Gerade als Ministerpräsident in NRW beweise Laschet Führungsqualitäten. „Armin Laschet steht für Integration und Zusammenhalt“, sagt Oellers. Seiner Meinung nach habe Laschet das Potenzial, die Gesellschaft, die sich in Zeiten der Pandemie zu spalten droht, wieder zusammenzuführen. Diese Fähigkeit sei für einen Kanzlerkandidaten von enormer Bedeutung.
Dass die Entscheidung wohl zugunsten Laschets ausfällt, damit hatte der Landtagsabgeordnete Bernd Krückel aus Heinsberg fest gerechnet. „Ich hatte mir diese Entscheidung auch erhofft. Armin Laschet hat in Düsseldorf in mehreren Funktionen bewiesen, dass er der richtige Mann für das Amt wäre“, sagt Krückel. Natürlich hätte sich auch Krückel eine „geräuschloseres Verfahren bei der Wahl des Kanzlerkandidaten“ gewünscht. „Aber ich bin auch der Meinung, dass eine Partei es aushalten muss, wenn man über zwei Kandidaten kontrovers diskutiert“, sagt Krückel. Das sei auch zu erwarten gewesen, wenn nach 16 Jahren das erste Mal wieder ein Amt zur Disposition stünde.
Kritik am Prozess
Ronald Borning, CDU-Vorstands- und Ratsmitglied sowie langjähriger CDU-Vertreter im Städteregionstag, kritisiert den gestrigen Ablauf. „Ich persönlich halte dieses Prozedere für unmöglich. Egal wie man zu den Kandidaten steht, ist es für mich deutlich geworden, dass man zukünftig die Mitglieder der beiden Parteien mit einbezieht. Das wäre ein ehrliches Votum, an dem sich die Gremien halten müssten. Das, was sich jetzt abspielt, ist nicht zu ertragen und schadet dem Ansehen der Parteien.“
Micha Kreitz, Monschauer CDU-Vorsitzender, Fraktionssprecher und ebenfalls Städteregionstagsmitglied, lobt zunächst den Vorgang. „Wir hatten als Union zwei starke Bewerber und eine intensive Auseinandersetzung, grundsätzlich ein gutes Zeichen für uns als moderne Volkspartei“, sagt Kreitz. Er fordert allerdings eine Beteiligung der Parteibasis. „Gleichzeitig ist klar, dass das nur ein Zukunftsprojekt sein kann und nicht jetzt übers Knie gebrochen werden kann. Die Union sollte dafür bis zur nächsten Kandidatenfrage eine Lösung finden.“ Armin Laschet sei „ein toller Ministerpräsident in NRW, ganz in der Tradition von Johannes Rau als Landesvater“. Fest stehe, dass das inhaltliche und personelle Profil unserer Volkspartei wieder geschärft werden müsse, „mit Armin Laschet an der Spitze und einem guten Team, in dem auch Markus Söder und Friedrich Merz eine angemessene Rolle spielen werden.“
Weitere Reaktionen aus der Region folgen zeitnah.