17. Juli 2015
Rheinische Post Lokalteil
Hückelhoven. Bei Sonnenuntergang wird einmal im Jahr das Ende des Fastenmonats Ramadan mit dem „Fastenbrechen“ gefeiert. In Hückelhoven feierten mehr als 120 Menschen mit den Muslimen. Politiker, Vereine und Flüchtlinge setzten ein Zeichen.
Seit 20 Stunden haben die Gastgeber nichts mehr gegessen oder getrunken. Als die Sonne untergeht, stehen die Kochtöpfe endlich vor ihnen, bis oben gefüllt mit der Vielfalt türkischer Essenskultur: Joghurtsuppe, Bohnengemüse oder Pilavreis, der so gekonnt gekocht ist, dass man jedes einzelne Duftkorn zählen könnte. 20 Stunden. Und trotzdem reichen die Muslimen in der Hückelhovener Moschee die Suppenteller weiter. Erst als jeder Gast versorgt ist, nimmt sich Mehmet Yilmaz einen Teller warme Suppe. „Lasst uns den Ramadan zum Anlass nehmen, sich in guten Taten zu verbinden“, sagt Mehmet Yilmaz von der muslimischen Gemeinde und eröffnet das „Iftar“ Fastenbrechen an der Ludovicistraße.
Muslimische Frauen stellen letzte Töpfe auf, als Gast um Gast auf Socken in den Essensraum eintritt. Da sind die Flüchtlingshelfer des Vereins „Willkommen in Erkelenz“ um Franz Thiel. Bundestagsabgeordneter Wilfried Oellers und auch Peter Jansen, der Erkelenzer Bürgermeister, ist Yilmaz‘ Einladung erneut gefolgt. Sie alle tragen durch ihr Kommen die Botschaft der Bundesregierung auf die kommunale Ebene: Der Islam gehört zu Deutschland. Bei rund vier Millionen Muslimen deutschlandweit ist das ein naheliegender Gedanke, für den Bürgermeister Jansen aber klare Worte fand: „Unsere Religionen stehen für Werte, für die wir uns auch aktiv einsetzen müssen“, sagte Jansen. Das Fastenbrechen biete einen schönen Anlass dafür. Dass erstmals auch Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Afrika das muslimische Fest mitfeiern konnten, hob er besonders hervor. Eine Selbstverständlichkeit für Mehmet Yilmaz: „Auch Muslime haben in der Geschichte schon um Asyl gebeten. Jetzt reichen wir die Hände und öffnen die Herzen.“ Eine mehrsprachige Einladung hatte er deshalb formuliert. Sein „Herzlich willkommen“ auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Kyrillisch machte deutlich: Wer wirklich alle ansprechen möchte, der schafft es auch, von allen verstanden zu werden.
Um 23 Uhr wird das Dessert serviert. Von einer verkrampften Atmosphäre ist nichts zu spüren. Ein wenig verhalten sind die, die zum ersten Mal dabei sind. Die Muslime sind um aufrichtige Gastfreundschaft bemüht, die internationalen Gäste um ein richtiges und respektvolles Verhalten. Sonst steht nichts zwischen den Muslimen und Christen, Flüchtlingen und Einheimischen, zwischen allen 120 Menschen aus dem Kreis Heinsberg. Beim gemeinsamen Essen in der reich bevölkerten Küche bleibt auch gar kein Platz für schlechte Gedanken. Denn beim traditionellen „Iftar“ stand zwischen den Zeilen genau das auf der Menükarte, was Einzelne schwarze Schafe verschleiern wollen: die Verwandtschaft im Glauben existiert im Feiern, Kommunizieren und dem Miteinander im Alltag.