Heinsberger Zeitung vom 21.10.2021
Text und Bild: Dettmar Fischer
GEILENKIRCHEN-LINDERN Die Bürgerinitiative Lindern arbeitet schon seit langem im Hintergrund zum Thema Gewergebiet „Future Site InWest“. Jetzt geht sie erstmals an die Öffentlichkeit.
Aus „Sorge vor den negativen Folgen für Lindern“ hatte sich bereits am 7. September die Interessengemeinschaft Industriegebiet Lindern gegründet. Die IG hat mittlerweile 70 Mitglieder. Sie befürchten, dass das geplante Industriegebiet Lindern oder auch „Future Site InWest“, wie es nach 30 Jahren Dornröschenschlaf nun heißt, ihr dörfliches Leben verändern wird.
Bislang suchten die aktiven Mitglieder der IG, Helmut Holländer, Gustel Gisbertz, Heiner J. Coenen, Stephan Rick und Dr. Jan Brüggemann nicht so sehr das Licht der Öffentlichkeit, sondern eher das Gespräch mit den verantwortlichen Politikern. Am 13. Oktober hatte die IG einen Gesprächstermin mit Geilenkirchens Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld und deren zuständigen Mitarbeitern. Wichtigstes Ergebnis des Gesprächs dürfte sicherlich die Zusage der Bürgermeisterin sein, noch im November eine Bürgerversammlung in Lindern zu veranstalten (Termin noch offen).
Eine Woche zuvor hatte die IG mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Wilfried Oellers und den CDU-Landtagsabgeordneten Bernd Krückel und Thomas Schnelle eine Unterredung über die verkehrliche Anbindung des Industriegebietes an die A46 und die A44. Als Ergebnis dieses Gesprächs wurde mitgenommen, dass die anwesenden Politiker die Entwicklung des Industriegebietes nur dann für umsetzbar erachten, wenn ortslagenfreie verkehrliche Anbindungen des Gebietes an die A46 und A44 hergestellt sind.
„Eine nördliche und südliche ortslagenfreie Anbindung des Industriegebietes wäre optimal“, sagt Helmut Holländer. Die Straßenplanung sollte dabei zeitgleich mit der Entwicklung des Industriegebietes erfolgen.
Warnendes Beispiel ist das Industriegebiet Baal (halb so groß wie Lindern), wo die geplante Ortsumgehung auch nach der Inbetriebnahme des Industriegebietes noch Zukunftsmusik ist. Die Interessengemeinschaft Industriegebiet Lindern hat sich in den anderthalb Monaten ihres Bestehens sachkundig gemacht und kam zu dem Schluss, dass eine Totalverweigerung der „Future Site InWest“ keinen Sinn macht. Auch wenn Dr. Jan Brüggemann sicherlich vielen Mitbürgern aus dem Herzen spricht, wenn er sagt: „Wir können in Lindern auch ohne das Industriegebiet glücklich leben.“ Sein Dorf in direkter Nachbarschaft zu einem gewaltigen Industriestandort mag er sich nicht gerne vorstellen.
Heiner J. Coenen betrachtet die Sache so: „Es war noch nie so viel Kohle da, und die muss jetzt ausgegeben werden.“ Coenen bezieht sich auf den Braunkohlestrukturfonds, der die 240 Hektar Ackerland, die größtenteils schon in öffentlicher Hand sind, nun endlich zu einer blühenden Industrielandschaft von landesweiter Bedeutung machen soll. Coenen möchte sich nicht gerne von nachfolgenden Generationen sagen lassen, dass seine Generation dem Flächenfraß keinen Einhalt geboten hat. Coenen bleibt aber realistisch: „Wenn wir das Industriegebiet schon nicht verhindern können, wollen wir es wenigstens begleiten.“
Helmut Höllander, viele Jahre Beigeordneter in Hückelhoven, sieht die Dinge ähnlich pragmatisch. Kämen die gewünschten Anbindungen über eine östliche Umgehungsstraße um Lindern und eine Neuauflage der K5n als Anbindung an die A46 bei Dremmen, könnte man den Ort Lindern trotz Industriegebiet so weiter entwickeln, wie es dem Ort gut tun würde. Müsste die „Dorfautobahn“, wie die Ortsdurchfahrt heute schon genannt wird, noch mehr Verkehr aufnehmen, sähe es wohl düster aus. Stephan Rick befürchtet, dass es mit dem Industriegebiet ähnlich läuft wie mit der Problematik des Pendlerverkehrs am Bahnhof, wo man sich allein gelassen fühle. Rick möchte nicht hören: „Da habt Ihr eben Pech, wenn Ihr in Lindern lebt.“ Rick hat den Eindruck, dass die Problematik der Verkehrsanbindung noch nicht zu Ende gedacht ist. Außer einer Anbindung an die A46, Abfahrt Hückelhoven-Ost, scheint noch nicht viel spruchreif zu sein.
Umso mehr schreckte die IG Lindern auf, als das Cluster-Konzept die Runde machte. Erste Ansiedlungen in der „Future Site InWest“ sollen nach Ansicht der Beteiligten auf der Grundlage des vorhandenen Straßennetzes möglich sein, bevor weitere Anbindungswege gebaut sind. Heiner J. Coenen scherzt: „Das Cluster-Konzept ist sicherlich noch keine überzeugende, verkehrliche Anbindung.“ Stephan Rick geht davon aus, dass das Thema bei vielen Lindernern noch gar nicht angekommen ist. Auch weil solange nichts geschehen sei, hätten viele die Dringlichkeit des Handelns noch nicht erkannt. Gustel Gisbertz wünscht sich Transparenz beim weiteren Vorgehen. Dass die Bevölkerung aus der Zeitung lesen musste, dass in Lindern der Startschuss zur „Future Site InWest“ gegeben wurde, fand sie nicht so toll. „Wir können nur stark sein, wenn wir viele sind“, sagt Gustel Gisbertz und blickt gedanklich auf die Menschen in den übrigen Orte, die betroffen sein werden.
Helmut Holländer kommt erst zum Schluss des Gesprächs mit einem Satz raus, der ihm wohl nicht aus dem Kopf geht und den er an diejenigen richtet, die derzeit voller Elan die Future Site InWest realisieren wollen: „Wenn Ihr es ernsthaft immer wolltet, warum habt Ihr die Straßen nicht gebaut?“