Heinsberger Zeitung, 01.03.2021
Text/Foto: Daniel Gerhards
GEILENKIRCHEN Die barrierefreie Umbau des Bahnhofs in Geilenkirchen ist längst zur Hängepartie geworden. Der Behindertenbeauftragte sieht dort „Gefahr für Leib und Leben“. Kommt endlich Bewegung in die Sache?
Der Bahnhof ist für die Geilenkirchener Politik längst zum Problemfall geworden. Nach jüngsten Umbauarbeiten ist der Bahnhof zwar für den neuen Regionalzug RRX tauglich gemacht worden, auch der ICE hält mittlerweile in Geilenkirchen. Aber es bleibt ein dickes Problem, in das einfach keine Bewegung hineinkommt: Der Bahnhof ist noch immer nicht barrierefrei. Der Geilenkirchener Behindertenbeauftragte Heinz Pütz bezeichnet ihn als „gefährlich“. Es bestehe „Gefahr für Leib und Leben“, sagt er. Auch die Europaabgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne) nennt die aktuelle Situation ein „Sicherheitsrisiko“.
Bei den Geilenkirchenern hat sich in dieser Causa schon eine Menge Frust angestaut. Denn eigentlich hätten Behinderte, Mütter mit Kinderwagen, Senioren mit Rollator oder Reisende mit schwerem Gepäck schon längst mit dem Aufzug zu Gleis zwei und drei gelangen sollen. Pütz sagt, dass der damalige Bahnhof-Manager bereits im Jahr 2019 zugesagt habe, dass der Aufzug im Herbst 2019 eingebaut werden sollte. Nun ist auch schon eine gläserne Kabine zu sehen, in der der Aufzug künftig fahren soll. Nur vom Aufzug selbst gibt es immer noch keine Spur. Eigentlich hätte es im Jahr 2019 nur noch um den Stromanschluss gehen sollen, berichtet Pütz. Aktueller Stand ist, dass die Aufzüge im Herbst dieses Jahres eingebaut werden sollen. So recht darauf verlassen will sich in Geilenkirchen nach all den Verzögerungen aber niemand.
„Das ist ein unhaltbarer Zustand“, sagt Heinz Pütz. Die Treppe zu benutzen, ist für viele Menschen mit Beeinträchtigung keine Option. „Ich komme da nicht runter“, sagt Pütz, der selbst eine Sehbehinderung hat. „Wenn ich nach Düsseldorf muss, lasse ich mich von meiner Frau nach Übach-Palenberg fahren. Dort brauche ich nur zwei Stufen zu gehen“, sagt er. Das ist aber eigentlich nicht Sinn der Sache. Die Stufen in Geilenkirchen hätten nicht alle die gleiche Höhe. Und die Handläufe an den den provisorischen Einhausungen der Treppenaufgänge seien schlecht. Zuletzt waren sie sogar mutwillig herausgerissen worden. Die Bahn habe erst reagiert, als sie auf ihre Verkehrssicherungspflicht hingewiesen worden sei, sagt Pütz. Pütz werde oft gefragt, wann denn endlich Abhilfe geschaffen werde. Darauf eine zufriedenstellende Antwort zu geben, fällt jedoch schwer. „Wir können es keinem mehr klar machen, dass wir weiter mit diesem gefährlichen Zustand leben müssen“, sagt er. Dass der Geilenkirchener Bahnhof auf einer Prioritätenliste der Bahn hinter den Bahnhöfen Lindern und Baal stehe, ist für ihn unverständlich. „Wir müssten eigentlich an erster Stelle stehen“, sagt Pütz.
Im Februar hat sich auch Europaabgeordnete Katrin Langensiepen mit dem Geilenkirchener Bahnhof beschäftigt. Langensiepen kommt aus Niedersachsen, als einzige weibliche Europaabgeordnete mit sichtbarer Behinderung engagiert sie sich für Rechte von Menschen mit Behinderung. Bei einem Besuch in Geilenkirchen kritisierte sie die Bahn für den verschleppten Umbau. „Es ist mir ein Rätsel, warum die Bahn die Menschen in Geilenkirchen so vertröstet. Die Bahn muss klar sagen, wann der Bahnhof barrierefrei wird“, fordert sie. Angesichts der eklatanten Sicherheitsmängel müsse die Bahn „ins Handeln kommen“. Langensiepen habe die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen wie die Bahn wenig Wert darauf legten, Geschäfte mit Behinderten zu machen. „Menschen mit Behinderung werden nicht als Gast oder als Kunde gesehen, sondern nur als Kostenfaktor. Sie sind aber zahlende Kunden“, sagt sie.
In einem Schreiben an Langensiepen verweist die Bahn im Übrigen darauf, dass die Aufzugarbeiten nur in Sperrpausen – wenn keine Züge fahren – erfolgen könnten. „Die Fertigstellung der Aufzüge wird somit nach aktueller Planung bis Ende 2021 erfolgen“, heißt es in dem Schreiben. Das ist für Heinz Pütz und die Geilenkirchener Politik viel zu spät. Beim Besuch von Langensiepen waren neben Bürgermeisterin Daniela Ritzerfeld (parteilos) auch Vertreter der Fraktionen aus dem Stadtrat dabei, um zu verdeutlichen, dass sie beim Thema barrierefreier Bahnhof gemeinsam Tempo machen wollen.
Jürgen Benden (Grüne) forderte, die Aufzüge schneller als bis zum Herbst einzubauen. „Die Technik steht schon da. Warum man jetzt mit den Überdachungen beginnt und nicht mit der Barrierefreiheit, ist das Geheimnis der Deutschen Bahn“, sagt er. Aktuell wird auf dem Bahnsteig von Gleis zwei und drei ein Wetterschutzdach gebaut.
Dirk Kochs (CDU) forderte ebenfalls zügigere Schritte in Richtung Barrierefreiheit, „damit wir endlich im Sinne der betroffenen Bürger zu einem positiven Ergebnis kommen“. Daniela Ritzerfeld kritisierte, dass es unheimlich schwer sei, bei der Bahn an Hintergrundinformationen zu gelangen: „Ich habe den Eindruck, dass die Bahn eine schwerfällige Behörde ist, in die man schlecht hineingucken kann, obwohl sie längst privatisiert ist.“ Ihr fällt es offensichtlich schwer, auf die Termintreue der Bahn zu vertrauen. „Müssen wir nach dem, was wir erlebt haben, damit rechnen, dass es doch noch länger dauert?“, fragt sie.
Heinz Pütz hofft derweil auf weitere politische Unterstützung. Dankbar ist er, dass der Behindertenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wilfried Oellers, sich für die Barrierefreiheit am Geilenkirchener Bahnhof eingesetzt habe. Aber von den Landtagsabgeordneten von CDU und FDP aus dem Kreis Heinsberg komme bislang noch keine echte Unterstützung, sagt Pütz.