Rheinische Post vom 02.08.2021
Text: Kurt Lehmkuhl
Foto: Jürgen Laaser
Wassenberg Es braucht in Zukunft bessere Maßnahmen, um Hochwasser zu verhindern – da waren sich Abgeordnete um Ina Scharrenbach beim Besuch am gebrochenen Damm in Wassenberg-Ohe einig.
Das letzte Jahrhunderthochwasser an der Rur im Bereich von Ophoven war gerade einmal knapp zehn Jahre her. Rein rechnerisch war damit nach den neuesten Modellen des für den Hochwasserschutz zuständigen Wasserverbands Eifel-Rur (WVER) nicht damit zu rechnen, dass es so schnell wieder zu einer Überflutung im Wassenberger Stadtgebiet kommen würde. Noch 2020 wurde den Bürgern bei einer Versammlung versichert, Ophoven liege nicht mehr in einem Überschwemmungsgebiet, entsprechende Erhöhungen von Deichen und Dämmen seien nicht erforderlich. Die Natur hielt sich nicht an die Berechnungen.
„Ist es noch zeitgemäß, von einem Jahrhunderthochwasser zu reden?“, fragte Wassenbergs Bürgermeister Marcel Maurer bei einem Besuch von Landesministerin Ina Scharrenbach in Ohe und Ophoven. Nach dem letzten Hochwasser müsse der Wasserverband seine Berechnungsgrundlagen ändern. Er stimmte damit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Wilfried Oellers zu, der die Heimatministerin zu einem Besuch eingeladen hatte.
Oellers forderte den Wasserverband während der Besichtigung des bei Ohe durchbrochenen Deiches an der Rur auf, die Planung für den Überschwemmungsschutz zügig voranzutreiben. „Wenn die beschlossenen Hochwassermaßnahmen umgesetzt gewesen wären, wäre es an vielen Stellen entlang von Wurm und Rur nicht zu der Katastrophe gekommen“, sagte er. Die Planverfahren würden zu lange dauern, fügte Maurer hinzu, der von einer Ironie des Schicksal sprach, dass der WVER vor wenigen Monaten die Bürger beruhigte, Ophoven brauche keinen erweiterten Dammschutz. Es habe vor knapp zwei Wochen ein nicht berechenbares 500- bis 800-Jahres-Ereignis gegeben, sei ihm mitgeteilt worden. Es müssten andere Maßstäbe bei der Berechnung angelegt werden, erklärte der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Schnelle dazu.
Oellers war froh, dass die Ministerin zum jetzigen Zeitpunkt kam. Im „aufgeräumten Zustand“ sei deutlich zu erkennen, wo die Schäden entlang der Rur bei Ohe aufgetreten seien und wo die Rur bei Ophoven aus ihrem Bett getreten war. Der bei Ohe durchbrochene Deich ist inzwischen wieder aufgeschüttet. Der Wildwuchs musste teilweise gerodet werden, damit man überhaupt an den Deich herankommen konnte.
Der Deich zwischen Rur und Ophoven ist immer noch mit Sandsäcken erhöht und lässt erkennen, wie weit das Wasser gekommen war. Mehr als 30.000 Sandsäcke sind dort in mühevoller Handarbeit über eine Strecke von mehrerer hundert Metern aufgeschichtet worden. „Wir brauchen einen aktiven Hochwassserschutz“, meinte Oellers.
Der ehemalige Ortsvorsteher Dirk Schulze sprach davon, dass Politiker und Verantwortliche des Wasserverbands das Vertrauen zurückgewinnen müssen. Es müsse eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands geben. Scharrenbach räumte ein, dass bisher beim Hochwasserschutz die großen Flüsse im Mittelpunkt des Interesses standen. „Wir müssen die kleineren Wasserläufe mehr in den Blick nehmen“, meinte sie, gab aber zugleich zu bedenken, dass es bei allen Planungen zum Teil gegensätzliche Interessen von Behörden zu berücksichtigen. Umwelt-, Forst- und Planungsbehörden hätten bisweilen unterschiedliche Auffassungen.
Den Bürgern in Ophoven und Ohe helfen derartige Abwägungen nicht viel. Sie müssen darauf hoffen, dass das nächste „Jahrhundertereignis“ tatsächlich 100 Jahre auf sich warten lässt. Thomas Schnelle versuchte zu beruhigen. Die Aussage des WVER sei nicht falsch gewesen, da sie von anderen Grundannahmen ausgegangen sei. Zugleich müsse er und müsse die Politik zeigen, dass sich gekümmert werde. Der Bürger soll wissen, dass alle Beteiligten nach dieser Katastrophe daraus ihre Lehren ziehen. „Die Stadt Wassenberg hat keine Expertise im Hochwasserschutz. Die hat der Wasserverband.“ Er sei gefordert, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.