Rheinische Post, 02.09.2020
Text: Kurt Lehmkuhl
Foto: Jürgen Laaser
Erkelenz Corona stoppte die USA-Reise des Erkelenzers David Leon Müller. Er berichtet, wie die Amerikaner das Virus unterschätzten – und warum in Minnesota so viele Menschen Donald Trump unterstützen.
ls „leichte Grippe“ wurde in den USA lange das abgetan, was in Deutschland Anfang des Jahres und insbesondere nach den massiven Ausbrüchen in Ischgl und an Karneval in Gangelt als lebensbedrohliche Infektion durch ein neuartiges Virus betrachtet wurde. David Leon Müller, 18-jähriger Schüler aus Erkelenz, hat bei seinem Schüleraustausch hautnah miterlebt, wie unterschiedlich beiderseits des Atlantiks die Einstellung zum Coronavirus war. „Die Menschen in den USA haben geglaubt, dass ihr Land von Corona nicht großartig betroffen werde“, berichtet der junge Mann bei einem Besuch bei Wilfried Oellers (CDU-Bundestagsmitglied).
Oellers hatte Müller als Stipendiat des Bundestags für ein einjähriges Austauschjahr ab September 2019 in den USA ausgewählt. „Man konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es so schlimm sei, wie es in Europa dargestellt wurde. Erst die dramatische Ausbreitung des Virus in New York sorgte für ein langsames Umdenken, erst danach wurde über Desinfektionen und Masken geredet, erst danach wurde Corona zum Gesprächsthema am Küchentisch. „Als es fast zu spät war, ist etwas geschehen“, meint Müller, der das Glück hatte, fernab von Corona-Hotspots im Minnesota nahe der kanadischen Grenze bei einer Gastfamilie untergebracht zu sein.
Dass das Parlamentarische Partnerschafts-Programm (PPP) als Verantwortlicher des Austauschjahrs die Reißleine zog und seinen Aufenthalt im kleinen Städtchen Mayer schon nach sieben Monaten beendete, akzeptiert Müller. Er gehörte zu denjenigen, die im großen Rückholprogramm der Bundesregierung nach Deutschland zurückgebracht wurden. Die Protestbewegungen und die gewalttätigen Auseinandersetzungen auf den Straßen nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd hat er ebenso wie den beginnenden Wahlkampf nicht mehr vor Ort miterlebt. „Da war ich schon längst wieder in Erkelenz“, sagt Müller, der nach dem Realschulabschluss an der Europaschule zum Berufskolleg wechselte, in dem er sich nach der Rückkehr jetzt in der Jahrgangsstufe 12 auf die Reifeprüfung in zwei Jahren vorbereitet.
Den kritisch-zweifelnden Blick aus Deutschland auf dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump kann Müller für Minnesota nicht bestätigen. „Viele Amerikaner sind ihm gegenüber positiv eingestellt“, glaubt er erkannt zu haben. „Man ist wirklich begeistert von ihm.“ Auch bei den Schülern der Highschool, in der er am Unterricht teilnahm, sei die Zustimmung für Trump enorm gewesen. Er vertrete amerikanischen Tugenden wie Freiheitsliebe und Patriotismus. „Das kommt an“, meint Müller, ehemals Klassen- und Schülersprecher und Sieger bei „Jugend debattiert“, der sich selbst als politisch interessiert bezeichnet und entsprechende berufliche Ambitionen nach dem Abitur und einer Berufsausbildung hat.
Er empfiehlt jedem, sich um ein Austauschjahr zu bewerben und ein Jahr in den USA zu verbringen. „Die Erfahrungen und Begegnungen prägen und bleiben ein Leben lang“, meint er, der bei einem Vergleich seiner Heimat den Vorzug gibt. Amerika habe zwar viele Vorteile, aber er bevorzuge Deutschland, „weil es hier mehr Kultur gibt und die Menschen einander besser verstehen.“
Vom amerikanischen Schulsystem ist Müller begeistert. „Jeder hat einen eigenen Laptop, jeder kann sich seine Fächer auswählen. Der Unterricht ist lockerer als hierzulande.“ Die Test seien nicht immer einfach gewesen. „Aber man kann jede Antwort im Internet suchen und finden.“ Das sei der große Unterschied zum hiesigen System. In Deutschland sei der Stoff schwieriger und müsse der Schüler eigene Lösungen erarbeiten.
Selbstverständlich wolle er wieder in die USA reisen; vielleicht sogar dort studieren, aber bestimmt, um dort seine neuen Freunde wiederzusehen und die unendliche Weite in ihrer großen Unterschiedlichkeit von der Wüste bis zum Gebirge, von den Feldern bis zum Horizont bis zu den Großstädten mit Hochhäusern, die scheinbar bis zum Himmel ragen, zu erleben – in einer Zeit nach Corona und nach Trump.