29.02.2016
Geilenkirchener Zeitung – Lokales, Seite 26
Rund 1000 Menschen zeigen klare Kante gegen einen rechten Aufmarsch . Polizei verzeichnet keine größeren Zwischenfälle. Veranstalter überwältigt.
Den Aufruf zur bürgerlichen Gegendemonstration hatte ein breites Bündnis unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen aus Politik, Kirche, Kultur, Wirtschaft und Vereinswelt unterstützt. Es zeigte sich, dass der bei Weitem überwiegende Teil der Teilnehmer aus der Mitte der Gesellschaft kam. Was die genaue Größe der Demonstration angeht, kursierten im Laufe des Tages unterschiedliche Zahlen. Zwischenzeitlich war von mehr als 1000 Teilnehmern die Rede, am Samstagabend nannte die Polizei die Zahl von 900 bürgerlichen Demonstranten. Stolzenberger sprach von der größten Demonstration, die es bislang in Erkelenz gegeben habe – mit Ausnahme des Tagebaus Garzweiler. „Wenn das kein starkes Zeichen ist, dann weiß ich es auch nicht“, sagte er. Zur „asylfeindlichen“ Kundgebung kamen laut Polizei 130 Demonstranten.
Angesichts der großen Zahl der Teilnehmer war Stolzenberger überwältigt: „Das ist der Wahnsinn. Ich hatte das Pipi in den Augen stehen.“ Mit ihrem Kommen stellten die Teilnehmer unter Beweis, dass Liebe stärker sei als Hass. „Die Willkommenskultur in Erkelenz lebt“, sagte er. Das Organisationsteam habe in den vergangenen zwei Wochen jeden Tag bis tief in die Nacht gearbeitet, um die Demo auf die Beine zu stellen. Den Lohn für ihre Arbeit erhielten sie am Samstag. „Es ist ein unheimlich schönes Gefühl, die vielen Menschen zu sehen. Die Arbeit, der Stress und die schlaflosen Nächte haben sich gelohnt“, sagte Mitorganisator Wilfried Mercks. Er sei stolz auf die Stadt Erkelenz. Nicht nur, weil so viele Menschen kamen, sondern auch, weil sie ein so buntes Bild abgaben.
Für eine dritte Demonstration „Solidarität mit allen Geflüchteten“ versammelten sich rund 70 Teilnehmer aus dem linksautonomen Spektrum. Diese Gruppe schloss sich laut Polizei der großen bürgerlichen Demonstration an.
Nach der mehr als zweistündigen rechten Kundgebung zogen deren Teilnehmer durch die Erkelenzer Innenstadt zum Bahnhof. Das bürgerliche Lager folgte ihnen mit einem Sicherheitsabstand von rund 200 Metern – und säuberte die Straßen symbolisch mit mitgebrachten Besen. Die linksautonome Gruppe bildete im Demonstrationszug im Ansatz so etwas wie einen schwarzen Block. Auf dem Weg zum Bahnhof blieb es aber friedlich. In der Nähe Bahnhofs lösten sich beide Demos auf. Laut Polizei verlief der Tag „ohne größere Zwischenfälle“: Die Polizei erteilte 42 Platzverweise. Aus „gefahrenabwehrenden Gründen“ nahm sie eine Person in Gewahrsam. Zwei Personen erhielten eine Anzeige wegen Beleidigung beziehungsweise Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Hubschrauber sendet Bilder
Wie viele Beamte im Einsatz waren, wollte die Polizei nicht sagen. Pressesprecherin Angela Jansen sprach von mehreren hundert Einsatzkräften. Darunter waren Polizisten aus Einsatzhundertschaften, von einer Reiter- und einer Hundestaffel sowie Beamte der Kreispolizeibehörde Heinsberg. Damit Einsatzleiter Andreas Bollenbach, Leiter der Abteilung Polizei der Kreispolizeibehörde, die Lage jederzeit im Auge zu haben konnte, kreiste ein Hubschrauber über Erkelenz, der Bilder vom Geschehen am Boden übermittelte.
Was aus der Luft wohl nur zu erahnen war: Im Ziegelweiherpark zeigte sich Erkelenz ab den Mittagsstunden von seiner freundlichen Seite. Es kamen Menschen aller Altersklassen. Auch Familien mit Kindern und Senioren. Vertreter von Parteien, Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen hielten Reden. Deren Tenor war: Erkelenz ist bunt, offen und tolerant, für Fremdenhass und Rassismus ist klein Platz.
Einer der Redner, Pfarrer Günter Wild, sagte, dass man keine Grenzen entlang von Konfessionen oder Nationalitäten ziehen dürfe. „Jeder Mensch hat ein Recht, hier zu sein. Besonders, wenn er aus einer Gegend kommt, in der es Bomben und Krieg gibt“, sagte er.
Bürgermeister Peter Jansen sagte, dass es nötig sei, „klare Kante“ gegen die offensichtlich fremdenfeindliche Demonstration zu zeigen. „Das ist das, was unser Land kaputt macht“, sagte er. Man könne die Asylpolitik kritisieren, aber man dürfe nicht mit Hass und Fremdenfeindlichkeit reagieren, sagte Jansen. Zu den rechtstaatlichen und demokratischen Werten der Gesellschaft gehöre auch das Recht auf Asyl. Die Prinzipien der Verfassung hätten Deutschland in der Welt zu einem angesehenen, beliebten und wirtschaftlich erfolgreichen Land gemacht. Die Willkommenskultur müsse in Erkelenz weiterhin gelebt werden, sagte Jansen. Der Geilenkirchener SPD-Bundestagsabgeordnete Norbert Spinrath, der wie sein CDU-Kollege Wilfried Oellers an der Demo teilnahm, sagte: „Unser Land braucht Zusammenhalt. Keine Ausgrenzung. Unser Land braucht Respekt. Keine Gewalt. Unser Land braucht Sicherheit. Keine Brandstifter. Deutschland darf nicht weiter gespalten werden. Unser Land braucht wieder mehr Zusammenhalt, nicht Hass und Gewalt.“
Ein größeres Verkehrschaos blieb im Übrigen aus, obwohl die Polizei die Innenstadt gesperrt hatte. Weil sich die Erkelenzer offensichtlich gut auf die Situation eingestellt hatten, kam es laut Polizei „lediglich zu geringfügigen Verkehrsbehinderungen“. Am späten Nachmittag hatte Stolzenberger seine Fassung wiedergefunden. Es schien, als wolle er sich bei jedem einzelnen Teilnehmer bedanken. Die Demonstration verlief so, wie er es sich gewünscht hatte: groß, bunt, friedlich.
„Das ist der Wahnsinn. Ich hatte das Pipi in den Augen stehen.“
Christoph Stolzenberger,
Bündnis gegen Rechts