Rheinische Post vom 06 09 2021
Text: Christos Pasvantis
Bild: Simone Wallraven, Cusanus Gymnasium
Erkelenz Politiker der sechs größten Parteien stellten sich am Freitag den angehenden Abiturienten des Cusanus-Gymnasium – und die gut vorbereiteten Schüler brachten die Kandidaten dabei durchaus ins Schwitzen.
Junge Menschen nehmen kein Blatt vor den Mund. Das machte eine Diskussionsrunde zur Bundestagswahl mit Politikern der sechs größten Parteien im Erkelenzer Cusanus-Gymnasium am Freitag einmal mehr deutlich. Gut vorbereitet, mit kritischen Fragen und Nachdruck, teils auch mit sympathischer Naivität löcherten die knapp 240 angehenden Abiturienten des Cusanus, die allermeisten von ihnen auch angehende Erstwähler, die Politiker von CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD.
„Warum haben sie 2017 gegen die Ehe für alle gestimmt, Herr Oellers?“, „Wie soll man ihrer Partei noch vertrauen, wenn sie erst jetzt begreifen, wie wichtig Klimaschutz ist, Herr Spinrath?“, „Wie können sie in einer Partei sein, in der Kollegen von ihnen eine Rente nur für Deutsche fordern, Herr Spenrath?“ – in diese Richtung gingen viele der Fragen, die die Schüler sich überlegt hatten. Die Jugendlichen waren in sechs Gruppen aufgeteilt worden, jeder Politiker jeder Gruppe für jeweils 30 Minuten zur Einzelbefragung zugeschaltet. Als große Themenkomplexe hatten sie sich die Bekämpfung des Klimawandels sowie die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich überlegt. „Das ist heute kein Wahlkampf, sondern eine politische Bildungsveranstaltung“, hatte Schulleiter Jörg Diepenthal zu Beginn angekündigt – schließlich waren nach einer Umfrage zehn Prozent der Schüler noch unsicher, ob sie überhaupt wählen sollen. Drei Prozent wollten es nicht.
Kämpfen mussten die Politiker aber definitiv. „Diese Nicht-Zimperlichkeit war fordernd, es hat richtig Spaß gemacht. Man merkt, dass die Schüler sich intensiv mit unseren Wahlprogrammen auseinandergesetzt haben“, sagte SPD-Politiker Norbert Spinrath, der allerdings mit seiner Forderung nach tausenden neuen Wohnungen im Kreis Heinsberg bei den jungen Leuten punkten konnte.
Zu spüren bekam die Fragen auch Lena Lenz von den Grünen, die im Erkelenzer Stadtrat sitzt und als Vertretung für die verhinderte Bundestagskandidatin Dignanllely Meurer einsprang. Auch wenn die Grünen bei Erstwählern in ganz Deutschland die mit Abstand beliebteste Partei sind, hielten sich die Schüler bei ihren Fragen nicht zurück. Lenz wirkte davon überfordert, geriet mehrfach ins Schwimmen und verkündete schließlich, ab sofort keine weiteren Fragen mehr beantworten zu wollen. In einer Presserunde zur Hälfte der Versammlung kurz zuvor hatte sie noch gesagt: „Es ist toll, wie kritisch die Fragen gestellt werden und dass die Schüler überhaupt kein Problem damit haben, nachzubohren.“
Deutlich souveräner reagierte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Wahlfavorit Wilfried Oellers auf den Druck der Schüler. Routiniert zählte er die Erfolge der Union aus den vergangenen Jahren auf und lobte im Nachgang: „Die Diskussion war sehr gut vorbereitet, die Fragen waren gezielt und kritisch. Es ist ein interessantes Format.“
Gut vorbereitet sein musste auch AfD-Kreistagspolitiker Jürgen Spenrath, der für den Wahlkandidaten Hermann Navel einsprang. Aus ihrer Abneigung machten die Schüler von Beginn an keinen Hehl, drängen mit Fragen zur Überbevölkerung, Rassismus in den eigenen Reihen und Asyl für Aghanen – Spenrath blieb sachlich, bisweilen aber auch ausweichend. „Junge Menschen sind sehr idealistisch, gewisse Zusammenhänge müssen ihnen aber noch erklärt werden. Das kommt nicht immer gut an“, sagte er.
Punkten konnte der 26 Jahre alte FDP-Kandidat Alexander Dorner. Sein Kernthema Digitalisierung kam bei den Schülern gut an – etwa seine Bürokratie-Kritik, wegen der bislang nur vier Prozent der im Milliarden-Projekt „Digitalpakt Schule“ verfügbaren Mittel von den Schulen abgerufen werden konnten. Gut an kam auch der Linke Jules El-Khatib aus Essen, der für den Kreiskandidaten Rüdiger Birmann einsprang. Er hatte „großen Respekt“ vor dem Format und fand es für die Schüler eine „krasse Herausforderung, sechs Politiker ohne Pause zu interviewen.“