Heinsberger Zeitung, 08.07.2020
Text und Foto: Nicola Gottfroh
KREIS HEINSBERG Über die Probleme der Behindertenwerkstätten in der Corona-Krise sprach jetzt bei der Lebenshilfe der Bundestagsabgeordnete Wilfried Oellers (CDU). Der Politiker sagte der Einrichtung seine Unterstützung zu.
Sorgen und Nöte mitteilen, diskutieren, Einblick gewähren und Ideen aus der Politik beurteilen. Darum ging es bei einem Austauschgespräch bei der Lebenshilfe mit Vertretern der Werkstätten und Werkstättenräte aus NRW mit dem Bundestagsabgeordneten und Behindertenpolitischen Sprecher der CDU/CSU, Wilfried Oellers.
Gesprächsbedarf bestand in erster Linie aufgrund der anstehenden Reform des Entgeltsystems für die Werkstattbeschäftigten, aber auch die Folgen der Coronavirus-Pandemie für die Werkstätten und damit für die Menschen mit Behinderung waren Thema.
Mit Verbreitung des Virus hatte die Geschäftsführung der Lebenshilfe in Heinsberg beschlossen, die Betriebe zu schließen, kurz darauf zogen auch die übrigen Werkstätten mit insgesamt rund 80.000 Beschäftigten Mitarbeitern mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen nach. „Derzeit befinden wir uns in einer Phase, in der wir den Betrieb allmählich wieder aktivieren. Von 1200 Mitarbeitern können rund 750 wieder ihren Tätigkeiten in den vier verschiedenen Betrieben im Kreis Heinsberg nachgehen“, erklärte Edgar Johnen, Geschäftsführer der Lebenshilfe Heinsberg.
Normalität sei aber noch lange nicht wieder eingekehrt. „Aufgrund der Schutzbestimmungen und Abstandsregelungen müssen wir Platz schaffen für alle Mitarbeiter. So haben wir den Speisesaal in einen Arbeitsraum umfunktioniert. In einem nächsten Schritt werden wir ein Zelt am Betrieb 3 aufstellen, um mehr Fläche zu schaffen“, so Johnen.
Und noch ein weiteres Problem hat sich während der Krise aufgetan. Viele Unternehmen, für die die Lebenshilfe produziert, haben ihre Aufträge zurückgezogen, weil sie sich selbst in wirtschaftlich unsicheren Zeiten befinden. „Doch die Unternehmen fahren allmählich ihre Produktion wieder hoch. Wir hoffen nun darauf, dass wir als Lebenshilfe im kommenden Jahr wieder halbwegs normal wirtschaften können“, sagt Johnen.
Das ist auch dringend notwendig, um die vom Bund beschlossene Erhöhung des Entgelts zu finanzieren. Denn der Grundlohn, den jeder Mitarbeiter in den Werkstätten erhält, soll nach einer neuen Gesetzesvorgabe um 50 Prozent erhöht werden, womit in den Werkstätten der Produktionsdruck enorm steigt. Mehr zu produzieren, das sei aber gerade in coronabedingten schwierigen Zeiten unmöglich, so Johnen. In den Hochzeiten der Krise musste der Lohn der Mitarbeiter bereits aus Rücklagen der Werkstätten gezahlt werden.
Der Bundestagsabgeordnete Wilfried Oellers hat den Werkstätten nun Unterstützung zugesagt und einen Lösungsvorschlag erarbeitet, um die schwierige Zeit zu überbrücken. „Problem ist, dass die Werkstätten in einem Spannungsverhältnis stehen: Sie sollen einerseits auf die Werkstattbeschäftigten zugeschnittene Teilhabeangebote zur Verfügung stellen, andererseits sollen sie wirtschaftlich verwertbare Arbeitsergebnisse erzielen und mit dem Erlös vor allem die Arbeitsentgelte zahlen“, so Oellers. „Durch das neue Gesetzgebungsverfahren des Bundes ist in den Werkstätten einiges in Schieflage geraten. Das gilt es nun zu revidieren und der Bund muss das an dieser Stelle mittragen und dafür auch finanziell gerade stehen“, so Oellers.
Der Vorschlag, den er erarbeitet hat, beruht darauf, den Steigerungsbetrag über zwei bis drei Jahre abzufangen – und ist auf große Zustimmung bei Betroffenen, Verantwortlichen und Experten gestoßen. Nun gilt es, diesen auch auf großer politischer Bühne durchzusetzen. Er sei jedoch optimistisch, dass dies gelinge, so Oellers.
„Ganz abgesehen von dem Teil ihres Lebensunterhalts, den die Mitarbeiter bei uns erwirtschaften, hat sich in den Wochen des Lockdowns aber auch ganz deutlich gezeigt, welchen Wert die Lebenshilfe den Menschen darüber hinaus bietet, nämlich Struktur und Teilhabe“, betonte Egdar Johnen.
Dies unterstrich auch Andre Krings, Mitarbeiter der Lebenshilfe und Mitglied im Werkstattrat. „Ich bin heilfroh, dass ich wieder meinen geregelten Tagesablauf habe und meine Freunde und Kollegen wiedersehen darf.“