18.10.2018
Rheinische Post
Text: mba/dpa
Berlin Wer in Teilzeit gehen will, war für die Rückkehr in Vollzeit bisher auf das Einverständnis des Arbeitgebers angewiesen. Das wird ab kommendem Jahr anders. Doch die Reform von Hubertus Heil stößt auf Kritik.
Millionen Arbeitnehmer in Deutschland erhalten ab Anfang 2019 ein Recht auf zeitlich befristete Teilzeit. Die vereinbarte Arbeitszeit kann für ein bis fünf Jahre verringert werden. Dann müssen die Arbeitgeber die Rückkehr in Vollzeit ermöglichen. Der Bundestag beschloss am Donnerstag ein Gesetz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung so einer Brückenteilzeit.
Die Abgeordneten von Union und SPD stimmten dafür, die Grünen und Linken enthielten sich, FDP und AfD stimmten dagegen. Heils Vorgängerin im Arbeitsressort, die heutige SPD-Chefin Andrea Nahles, war in der vergangenen Wahlperiode mit einem Entwurf für ein solches Rückkehrrecht an der Union gescheitert. Hier die Details des Plans:
- Bedingungen: Die befristete Teilzeit mit anschließender Brücke in Vollzeit gilt in Unternehmen mit mindestens 45 Beschäftigten, wenn der Mitarbeiter mindestens ein halbes Jahr in dem Betrieb ist. Arbeitgeber mit 46 bis 200 Beschäftigten müssen nur einem von 15 Arbeitnehmern den Anspruch auf Brückenteilzeit gewähren. Während der Brückenteilzeit gibt es keinen Anspruch, die Arbeitszeit noch einmal zu verlängern oder verkürzen. Bisher gibt es ein Rückkehrrecht in eine volle Stelle bei Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit.
- Teilzeitbeschäftigte: Bei Arbeitnehmern, die bereits in Teilzeit sind und mehr arbeiten wollen, soll der Arbeitgeber darlegen und gegebenenfalls beweisen müssen, wenn kein passender Arbeitsplatz frei ist. Der Arbeitgeber soll den Wunsch nach einer Änderung der Arbeitszeit mit dem Betroffenen erörtern müssen. Dieser soll den Betriebsrat hinzuziehen können.
- Argumente der Koalition: „Wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass die Arbeit besser zum Leben passt und nicht umgekehrt“, sagte Heil im Bundestag. Nicht nur die Unternehmen, auch die Arbeitnehmer bräuchten Flexibilität. Gerade Frauen steckten oft in einer Teilzeitfalle. Qualifizierung, Kümmern um Angehörige, Ehrenamt, Hausbau – es könne viele Gründe für vorübergehende Teilzeit geben. Die Union nimmt für sich in Anspruch, einiges noch geklärt zu haben, wie ihr Abgeordneter Wilfried Oellers (CDU) deutlich machte. So sei klar, dass Betriebe im Fall einer Brückenteilzeit wiederum einen Teilzeitbeschäftigten anstellen müssten, um die entstehende Lücke zu schließen. Oellers unterstrich, dass dies dann ein Sachgrund für eine Kündigung sei.
- Kritik der Opposition: Linken und Grünen ist das Gesetz noch zu wirtschaftsfreundlich. „Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten schaut in die Röhre“, sagte die Linke-Arbeitsmarktexpertin Susanne Ferschl mit Blick auf die Mindestgrenzen bei der Betriebsgröße. Brückenteilzeit solle es für alle Beschäftigte geben. Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke forderte, ab 15 Beschäftigte im Betrieb sollten die neuen Möglichkeiten eingeführt werden. „Für Frauen, die ihre Arbeitszeit verlängern wollen, wird sich gar nichts tun“, kritisierte sie. Entsprechende Anträge von Linken und Grünen wurden abgelehnt. Für die FDP kritisierte der Abgeordnete Till Mansmann, das Gesetz belaste „einseitig“ die Wirtschaft. „Die Arbeit muss zum Produkt, zur Dienstleistung, zum Betrieb passen.“ Der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl sagte, dass das Gesetz etliche Beschäftigte und Betriebe vor Gericht treibe.
- Sicht der Arbeitgeber: Ihr Spitzenverband BDA kritisiert das Gesetz als „weiteres Puzzleteil für mehr Bürokratie in unserem Land“. Allerdings habe Heil gegenüber den bereits in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern weit großzügigere Pläne zurückgenommen, so dass unterm Strich die Unternehmen auch in Zukunft entscheiden, wie viele Arbeitnehmer sie beschäftigten. Gesamtmetall kritisiert, um die Arbeitsbeteiligung von Frauen weiter zu steigern, seien vor allem mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten nötig – und keine Regulierungen zulasten der Unternehmen.
- Arbeit auf Abruf: Mit dem Gesetz gibt es auch Neuregeln zur Arbeit auf Abruf. Die mögliche abrufbare Zusatzarbeit wird beschränkt. Der Anteil der einseitig vom Arbeitgeber abrufbaren Arbeit darf künftig nicht mehr als 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Ist die wöchentliche Arbeitszeit nicht festgelegt, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart.