Zu der heute verabschiedeten Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes und deren Auswirkungen auf die Werkstätten für behinderte Menschen erklärt der Behindertenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wilfried Oellers:
„In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich zahlreiche Zuschriften von Werkstätten für behinderte Menschen erhalten, in denen Ihnen die Problemstellungen geschildert worden sind, die das Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes mit sich bringe.
Die Anliegen der Werkstätten haben wir, die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, in unsere parlamentarische Arbeit aufgenommen. Wir haben viele Gespräche mit den Vertretern der Werkstätten, aber auch mit den Vertretern der Werkstatträte geführt.
Es uns gelungen ist, diese berechtigten Anliegen im Gesetzgebungsverfahren einzubringen und Lösungen zu finden, mit denen die Werkstätten und die Werkstatträte zufrieden sind.
Zum Hintergrund der Problematik:
Das Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes hat neben den vielen Verbesserungen im Bereich der Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen die Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge zum Inhalt. Diese Erhöhung wirkt sich auch auf die Werkstätten aus. Hinsichtlich der behinderten Menschen, die sich im Ausbildungsbereich befinden, ist das nicht problematisch, da diese Beträge von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden.
Aufgrund des § 221 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX ist das Werkstattentgelt für behinderte Menschen jedoch gekoppelt an das Ausbildungsentgelt. Das ist grundsätzlich auch richtig, damit sich die Entgelte im Ausbildungsbereich und im Werkstattbereich gleichmäßig entwickeln und nicht nach einer gewissen Zeit die Auszubildenden in Werkstätten mehr Geld erhalten als die Werkstattbeschäftigten.
Allerdings ist der entscheidende Unterschied, dass die Werkstattentgelte an die Werkstattbeschäftigten von den Werkstätten selber zu tragen sind und nicht – wie bei den Ausbildungsentgelten – von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden. Diese Beträge müssen die Werkstätten selber erwirtschaften. Insgesamt sind die Werkstätten gesetzlich verpflichtet, mindestens 70 % ihrer Erträge als Entgelte an die Beschäftigten auszuzahlen. Die Kopplungsnorm des § 221 Abs. 2 SGB IX führt nun dazu, dass neben den Ausbildungsbeträgen auch die Werkstattentgelte um fast 50 % ansteigen sollten, so zumindest der damalige Kabinettsentwurf. Da das Gesetz zum 01.08.2019 in Kraft treten soll, hätte das für die Werkstätten zur Folge gehabt, dass sie in einem laufenden Wirtschaftsjahr 50 % mehr an Werkstattlohn an die Beschäftigten hätten entrichten müssen. Das hätte die Werkstätten vornahezu unüberwindbare finanzielle Herausforderungen gestellt. Der Einwand der Unzumutbarkeit war an dieser Stelle mehr als gerechtfertigt. Die Werkstätten für behinderte Menschen sind für die CDU/CSU ein enorm wichtiger Baustein im Rahmen unserer Behindertenpolitik. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Betreuung und Inklusion von Menschen mit Behinderung. Daher darf gesetzgeberisches Handeln die Existenz der Werkstätten in keinster Weise gefährden, sondern muss sie unterstützen.
Daher konnten wir bei der Beschlussfassung im Deutschen Bundestag folgende Änderungen vornehmen:
Die Erhöhung der Werkstattentgelte erfolgt nun nicht ab dem 01.08.2019 in voller Höhe. Sie erfolgt in vier Stufen beginnend ab dem 01.01.2020 bis zur vollen Geltung ab dem 01.01.2023. Konkret heißt dies, dass der monatliche Grundbetrag des Werkstattentgeltes
1. ab dem 01.08.2019 nach wie vor mindestens 80 Euro,
2. ab dem 01.01.2020 mindestens 89 Euro,
3. ab dem 01.01.2021 mindestens 99 Euro,
4. ab dem 01.01.2022 mindestens 109 Euro und
5. ab dem 01.01.2023 mindestens 119 Euro
beträgt. Für diese Übergangszeit wird damit zwar das Ausbildungsentgelt in Werkstätten höher sein als die Entgelte der Werkstattbeschäftigten. Mit dieser Übergangslösung sind jedoch nicht nur die Vertreter der Werkstätten, sondern auch die Vertreter der Werkstatträte einverstanden.
Daher kann dieses Verhandlungsergebnis als positiv und Erfolg bezeichnet werden. Allerdings muss auch klar erwähnt werden, dass diese Lösung nur eine Übergangslösung sein kann und ein weiteres Problem zeitlich nach hinten geschoben wird.
Bei diesem Problem geht es darum, dass die Leistungsträger in den Werkstätten mit jedem künftigen weiteren Jahr immer mehr in den Bereich der Anrechnung nach den Regeln des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II kommen. Hierzu muss man zum einen wissen, dass die Werkstätten leistungsbezogene Lohnstufen entwickelt haben, um das unterschiedliche Leistungsniveau bei den Beschäftigten zu berücksichtigen. Zum anderen muss man wissen, dass sich das Entgelt des Werkstattbeschäftigten aus mehreren verschiedenen Komponenten zusammensetzt, die zum Teil auf die SGB II-Leistungen anzurechnen sind, zum Teil aber auch nicht angerechnet werden.
Dieses Entgeltsystem für Werkstattbeschäftigte ist sehr komplex und kompliziert. Die oberen Entgeltgruppen werden daher in den nächsten Jahren in den Bereich der anrechnungsfeien Hinzuverdienstgrenzen nach dem SGB II gelangen. Sollte dies geschehen, wird der über die Hinzuverdienstgrenze hinausgehende Mehrverdienst nach den Regeln des SGB II abgeschöpft, so dass die Leistungsträger in den Werkstätten von den Verbesserungen im o. g. Gesetz mit zunehmender Zeit nicht profitieren werden.
Diesen Zustand halten wir für untragbar, so dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Daher haben wir mit einem Entschließungsantrag von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag beschlossen, dass das Entgeltsystem überprüft werden soll. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist beauftragt, unverzüglich die Prüfung zu beginnen, wie das Entgeltsystem für Werkstattbeschäftigte leistungsgerechter gestaltet werden kann. Diese Überprüfung ist ergebnisoffen und ohne eine bestimmte Zielrichtung angesetzt.
Das BMAS hat vier Jahre Zeit, Ergebnisse zu erarbeiten und vorzustellen. Dieser Zeitraum ist angelehnt an die o.g. stufenweise Anhebung des monatlichen Grundbetrages, da dieser im Jahre 2023 seine Endstufe erreicht. Dann sollten die Ergebnisse vorliegen, um gesetzgeberisches Handeln rechtzeitig einleiten zu können. In diesem Zeitraum sind alle Werkstätten, Werkstatträte sowie ihre Vertretungen auf Landes- und Bundesebene eingeladen, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Ich würde mich sehr über Stellungnahmen freuen.
Dieses Gesetz ist ein Erfolg. Die beschriebenen Probleme konnten vorerst gelöst werden. Allerdings bedarf es nun noch einiger Arbeit, um eine langfristige tragbare Lösung zu finden. Dies wird ein komplexer Vorgang werden. Ich freue mich auf diesen intensiven Diskussionsprozess.“