Koalitionsvertrag: Heute geht es um das Thema Verkehr
Mobilität ist eine zentrale Grundlage für individuelle Freiheit und gesellschaftlichen Wohlstand, für wirtschaftliches Wachstum und für Arbeitsplätze in allen Regionen. Wir wollen deshalb für alle Menschen in Deutschland eine moderne, saubere, barrierefreie und bezahlbare Mobilität organisieren und dabei die gesellschaftlichen Herausforderungen, wie den demografischen Wandel, die Urbanisierung, Anbindung ländlicher Räume und Globalisierung, meistern. Um den Zusammenhalt in Europa zu stärken, werden wir die grenzüberschreitende Mobilität verbessern. Wir wollen unsere Infrastruktur weiter ausbauen und modernisieren und die großen Chancen von digitalen Innovationen, wie automatisiertes und vernetztes Fahren, und von alternativen Antrieben auf allen Verkehrsträgern nutzen.
Finanzierung / Verkehrsinvestition
Wir werden den Investitionshochlauf auf einem Rekordniveau für die Verkehrsinvestitionen mindestens auf dem heutigen Niveau fortführen. Für die Planungs- und Finanzierungssicherheit wird die Überjährigkeit der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel dauerhaft sichergestellt. Zugleich werden wir Finanzierungsinstrumente implementieren, mit denen jährlichen Haushaltsresten entgegengesteuert wird. Wir setzen weiterhin unseren Schwerpunkt auf den Erhalt vor dem Neu- und Ausbau.
Die prioritären Projekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 wollen wir auskömmlich finanzieren. Bis zum 3. Quartal 2018 werden wir die Schienenprojekte des potenziellen Bedarfs unter Berücksichtigung der Berechnungen des Verkehrsressorts bewerten. Im neuen Verkehrsinfrastrukturzustandsbericht werden wir transparent die prioritären Erhaltungsmaßnahmen nach Bundesländern aufführen.
Wir werden die noch nicht fertiggestellten Öffentlich-Privaten Partnerschaften der 1.-3. Staffel realisieren, wenn deren Wirtschaftlichkeit auf Basis der mit dem Bundesrechnungshof abgestimmten Regularien transparent nachgewiesen worden ist. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und die Konzessionsverträge werden wir nach Vergabe bei Zustimmung des Konzessionsnehmers im Internet veröffentlichen.
Den Aufbau der Infrastrukturgesellschaft Verkehr werden wir unter Einbindung der Gewerkschaften und Personalräte bei den Organisationsentscheidungen eng begleiten. Die Möglichkeit, die Planfeststellung weiterhin durch die Länder durchführen zu können, ist rechtssicher auszugestalten.
Die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zu einer verbesserten Ausgabenpauschale für die Bundesfernstraßen wollen wir umsetzen.
Eine Privatisierung der Straßeninfrastruktur und der Infrastrukturgesellschaft Verkehr bleibt ausgeschlossen.
Wir halten an der zügigen Ausdehnung der Lkw-Maut für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen auf alle Bundestraßen fest und werden auf Grundlage des neuen Wegekostengutachtens eine durchschnittliche Mauthöhe für Lkw auf allen Bundesfernstraßen festlegen.
Wir werden die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) bis 2021 auf jährlich eine Milliarde Euro erhöhen und danach jährlich dynamisiert für Aus- und Neubaumaßnahmen zur Verfügung stellen.
Planungsbeschleunigung
Wir werden ein Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz verabschieden. Damit wollen wir deutliche Verbesserungen und noch mehr Dynamik in den Bereichen Verkehr, Infrastruktur, Energie und Wohnen erreichen. Durch frühzeitige Bürgerbeteiligung, weniger Bürokratie und gezielten Personaleinsatz wollen wir unsere öffentlichen Verkehrswege schneller planen und bauen. Mit Änderung der rechtlichen Vorgaben wollen wir Erleichterungen für Infrastrukturprojekte erreichen. Dabei orientieren wir uns an den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit sowie an den zwölf Punkten der Strategie Planungsbeschleunigung des Verkehrsressorts. Für ausgewählte Projekte mit überragendem öffentlichem Interesse werden wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren verkürzen und die Verwaltungsgerichtsverfahren auf eine Instanz beschränken.
Zudem wollen wir auf Grundlage europäischen Rechts das Verbandsklagerecht in seiner Reichweite überprüfen und uns auf EU-Ebene für die Wiedereinführung der Präklusion einsetzen.
Für fünf Pilotprojekte wollen wir Baurecht durch Maßnahmengesetze erproben. Das Instrument der Plangenehmigung wollen wir stärken, insbesondere bei Ersatzneubauten und Lärmschutzmaßnahmen. Gemeinsam mit der Wirtschaft werden wir die Gewinnung von Fachpersonal gezielt angehen.
Die digitale Planungsmethode „Building Information Modeling“ (BIM) reduziert Kosten und minimiert die Risiken von Kosten- und Terminüberschreitungen. Deshalb werden wir die BIM baldmöglichst bei allen neu zu planenden Verkehrsinfrastrukturprojekten zur Anwendung bringen.
Mobilität und Umwelt
Wir werden eine Kommission unter Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie betroffenen Ländern und Regionen einsetzen, die bis Anfang 2019 eine Strategie „Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“ mit verlässlicher Zeitschiene erarbeitet. Die Mobilität – und damit die Automobilwirtschaft – stehen aktuell vor enormen Herausforderungen. Klimaschutz, Luftreinhaltung, neue Mobilitäts- und Geschäftsmodelle und sich stark divergent entwickelnde Weltmärkte sind hierbei bedeutende Aspekte. Die Mobilitätspolitik ist dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung verpflichtet. Wir wollen die Klimaziele von Paris erreichen und dabei soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen. Dafür bedarf es eines ganzen Bündels von Maßnahmen, wie z. B. der Förderung von Elektromobilität, des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und des Schienenverkehrs, effizienteren und sauberen Verbrennungsmotoren inklusive Nachrüstungen sowie der Verstetigung der Mittel im Rahmen des Nationalen Forums Diesel.
Wir wollen gemeinsam mit Ländern und Kommunen unsere Anstrengungen für eine Verbesserung der Luftqualität insbesondere in besonders belasteten Innenstädten erheblich verstärken. Wir wollen Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern. Die Kommunen wollen wir unterstützen, die Emissionsgrenzwerte im Rahmen ihrer Luftreinhaltepläne mit anderen Maßnahmen als mit pauschalen Fahrverboten einzuhalten.
Wir wollen insbesondere die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr an der Quelle weiter reduzieren. Dazu gehören – soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar – technische Verbesserungen von Fahrzeugen im Bestand. Wir werden im Jahr 2018 auf Basis der Ergebnisse der laufenden Untersuchungen zu Hardware Nachrüstungsvarianten in der Arbeitsgruppe „Technische Nachrüstung“ und den weiteren Entscheidungen des „Diesel-Gipfels“ sowie aller rechtlicher Fragen der Zulassung, Gewährleistung und Kostentragung sowie in Kenntnis von Gerichtsentscheidungen und den Entscheidungen auf europäischer Ebene über weitere Schritte zur NOx-Reduzierung, auch der technischen Nachrüstungen, entscheiden. Wir setzen uns dabei für ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen von Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und Gewerkschaften ein.
In den besonders betroffenen Städten wollen wir aus dem Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ Mobilitätspläne zur Schadstoffreduktion sowie die darin verankerten Maßnahmen fördern. Das Sofortprogramm „Saubere Luft 2017-2020“ wollen wir fortschreiben. Bundes- und Landesprogramme sollen kumuliert werden können.
Wir wollen den Umstieg der Fahrzeugparks von Behörden, Taxiunternehmen, Handwerksbetrieben sowie des ÖPNV auf emissionsarme bzw. -freie Antriebstechnologien durch Aufwertung der Förderprogramme vorantreiben. Außerdem wollen wir die Verlagerung der Pendlerverkehre auf die Schiene (u. a. Park+Ride) fördern. Zudem wollen wir den Ordnungsrahmen so ändern, dass Länder, Städte und Kommunen in der Lage sind, verbindliche Vorgaben und Emissionsgrenzwerte für den gewerblichen Personenverkehr wie Busse, Taxen, Mietwagen und Carsharing-Fahrzeuge sowie für Kurier-, Express-, Paket-Fahrzeuge zu erlassen. Gleichzeitig wollen wir bei Taxen und leichten Nutzfahrzeugen den Umstieg auf emissionsarme Antriebe technologieoffen im bestehenden Finanzrahmen durch eine Erhöhung der bestehenden Kaufprämie bei Elektrofahrzeugen fördern und für weitere Technologien andere Förderinstrumente entwickeln.
Für die Überwachung der bereits im Markt befindlichen Fahrzeuge werden wir eine flächendeckende Feldüberwachung sowie ein wirksames Sanktionssystem bei Nichteinhaltung von Emissionsvorschriften gegenüber den Herstellern etablieren. Wir werden die Gründung des Deutschen Instituts für Verbrauchs- und Emissionsmessungen (DIVEM) vorantreiben.
Wir wollen das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fortführen. Wir wollen die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS) technologieoffen weiterentwickeln und die Mittel zu deren Umsetzung erhöhen. Wir wollen die Sektorenkopplung voranbringen und den regulativen Rahmen ändern, so dass „grüner Wasserstoff“ und Wasserstoff als Produkt aus industriellen Prozessen als Kraftstoff oder für die Herstellung konventioneller Kraftstoffe (z. B. Erdgas) genutzt werden kann. Wir wollen die TMG-Quote weiterentwickeln, um die Produktion von Biokraftstoffen abfall- und reststoffbasiert sowie auf Pflanzenbasis zu unterstützen.
Bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung werden wir für E-Fahrzeuge (Elektro- und Hybridfahrzeuge) einen reduzierten Satz von 0,5 Prozent des inländischen Listenpreises einführen.
Wir wollen die Elektromobilität (batterieelektrisch, Wasserstoff und Brennstoffzelle) in Deutschland deutlich voranbringen und die bestehende Förderkulisse, wo erforderlich, über das Jahr 2020 hinaus aufstocken und ergänzen. Wir wollen den Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur intensivieren. Ziel ist, bis 2020 mindestens 100 000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen – wovon mindestens ein Drittel Schnellladesäulen (DC) sein sollen. Zudem wollen wir die Errichtung von privaten Ladesäulen fördern. Für eine nachhaltige Umstellung der Busflotten auf alternative Antriebe sind neben den Fahrzeugen auch eine geeignete Ladeinfrastruktur sowie Betriebsmanagementsysteme erforderlich. Den Einbau von Ladestellen für Elektrofahrzeuge von Mieterinnen und Mietern sowie Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümern werden wir rechtlich erleichtern. Außerdem werden wir die gesetzlichen Bedingungen für benutzerfreundliche Bezahlsysteme verbessern.
Für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge führen wir eine auf fünf Jahre befristete Sonder-AfA (Abschreibung für Abnutzung) von 50 Prozent im Jahr der Anschaffung ein. Wir wollen zudem die Förderung für die Umrüstung und Anschaffung von E-Taxen, E-Bussen, E-Nutzfahrzeugen und Carsharing verstetigen.
Wir wollen die bestehende „Nationale Plattform Elektromobilität“ zu einer Plattform „Zukunft der Mobilität“ umgestalten, die sich mit der Weiterentwicklung der Automobilindustrie beschäftigt. Die Ansiedlung einer Batteriezellfertigung ist für Deutschland und Europa ein wichtiges wirtschafts- und industriepolitisches Handlungsfeld. Wir wollen die Industrie dabei unterstützen, die gesamte Wertschöpfungskette der Elektromobilität in Deutschland und Europa vorzuhalten.
Für den Schienenverkehr wollen wir ein umfassendes Förderprogramm auflegen, das sowohl die Elektrifizierung von Strecken als auch die Anschaffung von Fahrzeugen nebst Nachlade-/Tankinfrastruktur umfasst. Den Schienenpersonennahverkehr wollen wir mit Investitionszuschüssen für Brennstoffzellen-Hybrid-Triebwagen inkl. Ausstattung/Umrüstung der Depots und Bau und Betrieb von Wasserstofftankstellen unterstützen. Um die Wirtschaftlichkeit von Elektrobussen zu erhöhen, wollen wir sie analog der Schienenbahnen von der EEG-Umlage freistellen.