Seitdem der erste Impfstoff der deutschen Firma Biontech zugelassen ist, wird der Vorwurf gegenüber der Bundesregierung, insbesondere dem Gesundheitsminister, erhoben, es sei nicht genügend Impfstoff bestellt worden. Von einem Versagen der Bundesregierung und des Gesundheitsministers ist die Rede.
Ich will ausdrücklich betonen: Diese Auffassung teile ich ganz und gar NICHT und widerspreche ihr ausdrücklich.
Vor der Zulassung des weltweit ersten Impfstoffes gegen das Corona-Virus der Firma Biontech befürchteten Kritiker, dass der Impfstoff nicht sicher genug sei, weil er nicht ausreichend genug und in zu kurzer Zeit getestet worden sei. Langzeitwirkungen seien nicht ausreichend erforscht, so die Kritiker. Wenn nun kritisiert wird, dass nicht ausreichend Impfstoff vorhanden sei, so scheinen die Kritiker von der Sicherheit und Qualität des Impfstoffs überzeugt zu sein. Dieser Kritikverlauf ist für mich nicht nachvollziehbar. Zuerst das Verfahren und die Sicherheit des Impfstoffs in Frage zu stellen und nach der Zulassung zu bemängeln, dass nicht genügend Impfstoff vorhanden sei, ist nicht schlüssig.
Dabei ist zu betonen, dass das Zulassungsverfahren des Biontech-Impfstoffs ein ordnungsgemäßes Verfahren war und keine Notzulassung veranlasst wurde, wie z.B. in Großbritannien oder Israel. Manche kritisierten auch, warum auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und nicht auf eine Notzulassung gesetzt werde.
Die Antwort lautet: Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in einen Impfstoff haben, insbesondere dann, wenn die Entwicklung in Rekordzeit erfolgte. Daher war und ist es unumgänglich, ein ordnungsgemäßes Zulassungsverfahren zu durchlaufen, damit der Impfstoff ein höchstes Maß an Sicherheit sowie Qualität hat und gleichzeitig Vertrauen in ihn besteht. Diese Sicherheit und dieses Vertrauen in den Impfstoff ist für die Akzeptanz eines Impfstoffes unumgänglich, da ansonsten die Bürgerinnen und Bürger die mögliche Impfung nicht annehmen würden.
Es sollte in meinen Augen auch deutlich herausgestellt werden, welche besondere Leistung die Wissenschaftler erbracht haben, indem nicht nur in Rekordzeit ein sicherer Impfstoff entwickelt, sondern auch eine Zulassung erlangt wurde. Diese Geschwindigkeit konnte nur erreicht werden, weil Wissenschaftler, Unternehmer, Behörden und Politik eng zusammengearbeitet und mit allen verfügbaren Kräften die Entwicklung des Impfstoffs und das Zulassungsverfahren vorangetrieben haben. Hinzu kommt, dass Biontech ein neues schnelleres Entwicklungsverfahren angewandt hat und auf Erkenntnisse aus anderen Impfstoffentwicklungen zurückgreifen konnte. Zudem hat der Bund diese Entwicklung finanziell intensiv unterstützt, damit dieser Kraftakt gelingen konnte.
Und nun zur Bestellung des Impfstoffs:
Deutschland hat über die EU nun wahrlich ausreichend Impfstoff bestellt. Hierzu folgende Zahlen: Die EU hat für etwa 450 Mio. Einwohner insgesamt 2,1 Milliarden Impfdosen bei 7 verschiedenen Herstellern bestellt. Kürzlich hat die EU weitere 300 Million Impfdosen nachbestellt.
Aus den 2,1 Milliarden Impfdosen stehen Deutschland insgesamt über 300 Millionen Impfdosen zu (plus den Anteil aus den nachbestellten 300 Millionen Impfdosen).
Aus diesem Paket erhält Deutschland 60 Mio. Impfdosen von der Firma Biontech. Als sich herausstellte, dass Biontech sehr aussichtsreiche Fortschritte in der Impfstoffentwicklung machte, hat Deutschland mit Gesundheitsminister Jens Spahn bei Biontech weitere 30 Millionen Impfdosen bestellt. Dies geschah bereits im September 2020. Damit erhält Deutschland Stand heute 90 Millionen Impfdosen von der Firma Biontech. Es kann daher nicht der Vorwurf erhoben werden, Deutschland hätte nicht genügend Impfstoff bei Biontech bestellt.
Von der Firma Moderna, die nun seit einigen Tagen auch eine EU-Zulassung nach einem ordnungsgemäßen Verfahren hat, erhält Deutschland über die EU-Bestellung etwa 50 Millionen Impfdosen.
Damit erhält Deutschland für seine über 83 Millionen Einwohner von Biontech und Moderna insgesamt 140 Millionen Impfdosen.
Die Firma AstraZeneca hat vor wenigen Tagen auch einen Antrag auf Zulassung ihres Impfstoffs bei der EMA (European Medicines Agency/Europäische Arzneimittel Agentur) gestellt. Dieser Antrag wird nun vordringlich bearbeitet und hat Aussicht auf Erfolg. Ein positiver Beschluss wird zum Ende des Monats Januar 2021 erwartet. Damit würden etwa 40 Millionen weitere Impfdosen für Deutschland zur Verfügung stehen, mithin insgesamt 180 Millionen Impfdosen. Somit hätten 3 von 7 Unternehmen, bei denen die EU Impfstoff vorbestellt hat, eine Zulassung erhalten. Da zum Zeitpunkt der Bestellung nicht absehbar war, welcher Hersteller erfolgreich sein wird, war es richtig, bei verschiedenen Herstellern zu bestellen.
Diese Entwicklung halte ich für einen großen Erfolg der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Behörden und der Politik, die es in einer gemeinsamen Kraftanstrengung geschafft haben, diesen Impfstoff zu entwickeln und zuzulassen. Mit Stolz kann man auch behaupten, dass Deutschland durch die herausragende wissenschaftliche Arbeit hierzu einen maßgeblich Beitrag geleistet hat. Schließlich hat mit Biontech eine deutsche Firma die weltweit erste Zulassung erhalten.
Es war und ist auch richtig, bei der Beschaffung des Impfstoffs auf einen europäischen Weg zu setzen. Die Pandemie betrifft ganz Europa und die ganze Welt. Deutschland hätte für sich selber sicherlich genügend Impfstoff beschaffen können. Kleinere und nicht so wohlhabende Länder hätten länger warten müssen. Bereits heute ist es so, dass EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa neue Medikamente erst Jahre später erhalten als z.B. Deutschland, weil die Umsätze hier größer sind. Genau dies sollte jedoch beim Corona-Impfstoff nicht eintreten. Schließlich können wir auch nur gemeinsam aus der Pandemie herauskommen. Als Exportnation ist es für uns auch wirtschaftlich wichtig, dass unsere Partnerländer ebenfalls aus der Pandemie herauskommen. Und nicht zuletzt stärkt es die europäische Solidarität und das Miteinander für die Zukunft, in dieser schwierigen Zeit gemeinsam zu handeln.
Nun ist seit dem 21.12.2020 der Biontech-Impfstoff in der EU zugelassen und am 26./27. Dezember konnte mit den ersten Impfungen in Deutschland begonnen werden. Das halte ich ebenfalls für einen riesigen Erfolg. Dies konnte nur deswegen geschehen, weil die Firmen bereits vor Erhalt der Zulassung mit der Produktion ihres Impfstoffs begonnen hatten. Dies war ein nicht unerhebliches Risiko, das Biontech auf sich genommen hat, um im Falle einer Zulassung sofort liefern zu können. Dabei hatte Biontech bereits sehr frühzeitig angegeben, dass sie im Jahr 2020 insgesamt 50 Millionen Impfdosen für alle weltweiten Bestellungen herstellen könne. Davon erhielt Deutschland 1,3 Millionen Impfdosen, so wie es zugesagt und vereinbart worden ist. Für Januar 2021 erhält Deutschland vom Biontech-Impfstoff vereinbarungsgemäß und wie zugesagt weitere 4 Millionen Impfdosen. Durch die nun erteilte Zulassung, dass aus einer Impfdose 6 statt bisher 5 Impfungen vorgenommen werden können, wird es möglich, aus den Impfdosen 20% mehr Impfungen zu erreichen. Das ist möglich, weil die Firma Biontech aus Vorsicht mehr Impfstoff abgefüllt hat, als für 5 Impfungen notwendig ist, damit nicht zu wenig Impfstoff für 5 Impfungen vorhanden ist. Diese erweiterte Zulassung halte ich für sinnvoll, da ich es für unverantwortlich halten würde, einen solch wertvolles Produkt zu entsorgen, obwohl es verwendet werden könnte.
Natürlich würde auch ich mir wünschen, dass Deutschland schon viel mehr Impfdosen erhalten hätte. Aber selbst wenn Deutschland mehr Impfstoff bestellt hätte, so wäre bisher nicht mehr geliefert worden. Denn an dieser Stelle muss deutlich betont werden, dass der Impfstoff nicht von jetzt auf gleich vollständig produziert werden kann. Die Impfstoffherstellung ist eine sehr komplexe, schwierige und hochsensible Tätigkeit. Sie kann nicht so einfach auf andere Firmen übertragen werden. Schließlich geht es ganz besonders darum, dass Qualität und Vertrauen in den Impfstoff gegeben sein müssen. Nicht zuletzt möchte die ganze Welt beliefert werden, was die Produktion ebenfalls vor eine große Herausforderung stellt.
Nicht selten wird der Vorwurf geäußert, dass die Bundesregierung zu wenig dafür getan habe, dass die Firmen die Produktion höher fahren können. Richtig ist jedoch, dass die Bundesregierung bereits im Sommer letzten Jahres damit begonnen hat, die Firma Biontech bei dem Aufbau von weiteren Produktionsstätten zu unterstützen. Gesundheitsminister Spahn hat sich hier persönlich eingesetzt. So entsteht nun die weitere Produktionsstätte bei Marburg und eine weitere in Sachsen. Wenn man sich einmal vor Augen führt, wie umfangreich der Aufbau von weiteren Produktionsstätten ist, so ist die Entwicklung in Marburg und Sachsen ebenfalls als Erfolg zu bewerten. Der Vorwurf in diesem Bereich ist daher auch nicht gerechtfertigt.
Zu den Impfungen:
Die anfänglich Knappheit des Impfstoffs war von vornherein zu erwarten. Daher hat sich eine Ethik-Kommission Gedanken darüber gemacht, welche Personengruppen in welcher Reihenfolge geimpft werden. Dies kann man kritisieren, war und ist in meinen Augen jedoch für den Impfstart erforderlich. Es ist auch richtig, dass zuerst die älteren Menschen und insbesondere die Bewohner und die Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäuser geimpft werden. Die Bundesländer haben hier jeweils eigene und zum Teil unterschiedliche Wege eingeschlagen. Dort wo schon geimpft worden ist, hat alles gut geklappt. Die Abläufe haben funktioniert.
Weil in vielen Bundesländern zunächst die Alten- und Pflegeheime mit Impfteams berücksichtigt worden sind, sind die Impfzentren in sehr geringem Maße in Anspruch genommen worden. Es ist aber besser, dass die Impfzentren jetzt schon bereitstehen, als dass der Impfstoff in großen Mengen da ist und nicht verimpft werden kann, weil die Impfzentren nicht eingerichtet bzw. funktionsfähig sind.
Wenn die Impfsituation in Deutschland mit der in anderen Ländern wie Großbritannien und Israel verglichen wird (sie seien schon viel weiter und würden mehr impfen), so ist deutlich zu erwähnen, dass diese Länder mit den Impfungen deswegen früher starten konnten, weil sie mit Notzulassungen gearbeitet haben. Diese Länder sind trotz ihres Impffortschritts immer noch im vollständigen Lockdown.
Daher komme ich zu dem Ergebnis, dass Deutschland den Impfstart ganz bestimmt nicht verschlafen hat. Das was Ende letzten Jahres durch Jens Spahn angekündigt worden ist, ist eingetreten. Es stellt sich daher die Frage, warum das damals nicht schon kritisiert worden ist. Jetzt, wo der Impfstoff da ist, wird kritisiert, dass es nicht schnell genug geht. Vor der Zulassung der Impfstoffe waren die Kritiker diesbezüglich zurückhaltend, bemängelten die Zulassungsverfahren und schürten Angst, dass die Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden und der Impfstoff nicht sicher sei. Und dass es am Anfang einer solche Impfaktion, die es in der Geschichte unseres Landes noch nicht gegeben hat, nicht sofort alles zu 100% rund läuft, dürfte nachvollziehbar sein.
Es wäre daher angebracht, diese unberechtigte Kritik nicht zu äußern und den Menschen keine Angst zu machen. Die Situation ist für alle schon schwierig genug. Vielmehr sollten auch die Kritiker die Ärmel hochkrempeln und dazu beitragen, dass wir gemeinsam durch diese Pandemie kommen und nicht die dringend benötigten Kräfte an unberechtigte Kritik verschwenden. Damit gewinnt man politisch keine Zustimmung und insbesondere dann nicht, wenn ein Regierungspartner versucht, in der Regierung Opposition zu betreiben.
Außerdem: Es wird keine Impfpflicht geben! Das hat Gesundheitsminister Jens Spahn in all seinen Reden deutlich gemacht und er hat nie etwas anderes geäußert. Sobald ich an der Reihe bin, werde auch ich mich impfen lassen. Richtig ist aber, dass zuerst die besonders gefährdeten Personengruppen geimpft werden. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich möglichst viele bis alle Menschen impfen lassen. Denn die Impfung ist das einzige Mittel, aus dieser Pandemie wieder herauszukommen. Daher sollten sich alle Impfkritiker noch einmal hinterfragen und für eine Impfung entscheiden. Es hilft letztlich uns allen, die Pandemie zu bewältigen.
Bleiben Sie gesund.
Herzlichst
Wilfried Oellers