Menschen mit kognitiven und mehrfachen Beeinträchtigungen, darunter vielfach ältere Patientinnen und Patienten, sind für die Durchführung der Krankenhausbehandlung auf die Begleitung durch eine vertraute Bezugsperson (etwa Personen aus dem persönlichen Umfeld oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Leistungserbringern der Eingliederungshilfe) zur Kommunikation und emotionalen Stabilisierung angewiesen. Dabei kann es sich beispielsweise um Menschen mit Autismus handeln, Menschen mit Sprachbeeinträchtigungen oder Menschen mit Angst- oder Zwangsstörungen. Die Frage der Trägerzuständigkeit für die Finanzierung des Verdienstausfalls aus dem persönlichen Umfeld oder der Personalkosten von vertrauten Bezugspersonen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die Menschen mit Beeinträchtigungen im Krankenhaus begleiten müssen, konnte aber über viele Jahre nicht geklärt werden. Für Menschen, die nicht mit Worten kommunizieren können oder auf Ungewohntes mit Verhaltensauffälligkeiten reagieren, kann dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass medizinische Behandlungen nicht durchgeführt werden können.
Nach vielen, durchaus auch kontroversen Gesprächen, die sowohl auf Regierungsebene, zwischen Bund und Ländern, die aber auch wir innerhalb unserer Fraktion geführt haben, ist es letztlich auch auf unsere Initiative hin gelungen, die unterschiedlichen Interessenlagen zusammenzubringen.
Der Kompromiss sieht im Kern vor, Angehörigen oder Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld ein Krankengeld nach dem SGB V zu zahlen, wenn sie Versicherte mit Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe oder der Kriegsopferfürsorge zur Ermöglichung der stationären Behandlung (z.B. Unterstützung bei der Kommunikation) aus „medizinischen Gründen“ begleiten müssen. Die medizinischen Gründe ergeben sich aus den Erfordernissen, die in der Person der oder des behandlungspflichtigen Patienten begründet sind und können insbesondere vorliegen, wenn das Erreichen des Behandlungszieles von der Anwesenheit der Begleitperson abhängt. Erfolgt die Begleitung hingegen durch eine Person, die dem Leistungsberechtigten gegenüber im Alltag bereits Leistungen der Eingliederungshilfe im Rahmen eines entsprechenden Vertragsverhältnisses mit einem SGB IX-Träger erbringt, soll grundsätzlich – als Ausnahme von dem für die Eingliederungshilfe geltenden Nachranggrundsatz – dieser Träger zahlen. Ein entscheidendes Kriterium für die Frage, welcher Träger zahlt, ist das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses, das es den Begleitpersonen ermöglicht, die individuellen Reaktionsweisen (z. B. besondere Äußerungsformen von Schmerzen) des Menschen mit Behinderungen zu verstehen und als Kommunikationsvermittler bei der Diagnostik, Patientenaufklärung, Behandlung und Pflege zu dienen. Wenn ein Betroffener also in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe lebt (z.B. in einer betreuten Wohngruppe), dürfte dieses Vertrauensverhältnis regelmäßig zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Träger der Eingliederungshilfe bestehen und nicht zu Familienangehörigen. Ein Verweis auf Unterstützung durch Angehörige aufgrund familiärer Beistands- und Rücksichtnahmepflichten durch den Eingliederungshilfeträger darf dann nicht erfolgen. Auch ansonsten wäre dies nur möglich, wenn die familiäre Unterstützung zumutbar und tatsächlich leistbar ist. Anders stellt sich die Situation hingegen dann dar, wenn die betroffene Person zu Hause durch Angehörige betreut wird und dann auch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis bestehen dürfte.
Eine Lösungsfindung besonders erschwert hat die Tatsache, dass es zum Kreis der Betroffenen und der in Betracht kommenden Fallgruppen, damit aber auch den Kosten einer gesetzlichen Regelung, zwar viele Annahmen, aber wenig konkrete Erkenntnisse gibt. Die Bundesregierung geht in ihrer Schätzung davon aus, dass sich für die Länder und Kommunen jährliche Mehrkosten von ca. 19 Mio. Euro ergeben. Für die gesetzliche Krankenversicherung ergeben sich demnach jährliche Mehrkosten im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Allerdings beruhen diese Schätzungen auf Annahmen und Modellrechnungen und sind mit größeren Unsicherheiten behaftet. Daher sieht die Neuregelung eine Evaluation u.a. auch der finanziellen Auswirkungen für die Kostenträger bis zum 31. Dezember 2025 vor. Auf Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse soll überprüft werden, ob die Regelungen zu einer sachgerechten Lösung und einer fairen finanziellen Verteilung in den jeweiligen Leistungssystemen in der Praxis führen, um dann zu einer endgültigen Lösung zu kommen.