Tagesordnungspunkt 11:
a.) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Drucksachen 18/7363, 18/7871
Innovative Arbeitsforschung für eine Humanisierung unserer Arbeitswelt und mehr Beschäftigung
b.) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.Drucksachen 18/6362, 18/6951
Junge Beschäftigte vor prekärer Arbeit schützen
Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Als Nächster hat jetzt der Kollege Wilfried Oellers, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich ebenfalls wie mein Kollege Gerdes auf den Antrag der Fraktion Die Linke „Junge Beschäftigte vor prekärer Arbeit schützen“. Der Antrag spricht unter dieser Überschrift ein breites Spektrum von Themenfeldern an: Befristungen, Zeitarbeit, Werkverträge, Entgeltbedingungen, Mitbestimmung, aber auch den Einstieg in die Arbeitswelt, Arbeitssicherheit, Lohnentwicklung sowie Lebens- und Familienplanung ‑ und das alles auf drei Seiten. Damit wollen Sie all diese Themen in einem pauschalen Rundumschlag diskutieren. Gerecht werden Sie mit diesem oberflächlichen und undifferenzierten Antrag jedem einzelnen Themenbereich allerdings nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel (SPD))
Vorweg möchte ich für die CDU/CSU-Fraktion betonen: Auch wir wünschen uns, dass alle Beschäftigten gute und ermutigende Arbeitsbedingungen sowohl zu Beginn des Arbeitslebens als auch noch danach vorfinden.
(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Dann tun Sie doch mal was!)
Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner erarbeiten wir im Rahmen des Koalitionsvertrags die richtigen Rahmenbedingungen für weitere Arbeitsplätze, gute Arbeit, soziale Sicherheit. Das wollen wir gemeinsam schaffen.
(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Nur Gerede! Alles Gerede! Menschenskind, merken Sie das denn nicht?)
Der Mindestlohn und das Rentenpaket, unter anderem mit der Mütterrente und der Verbesserung der Erwerbsminderungsrente, sind dafür einige Beispiele. Zudem sind gerade für junge Menschen die Änderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu nennen, durch die die Situation junger Menschen in diesen Einrichtungen deutlich verbessert worden ist.
(Nicole Gohlke (DIE LINKE): Das ist doch marginal!)
‑ Sie können zwar sagen, das sei marginal, aber es sind trotzdem Schritte in die richtige Richtung, die hier erwähnt werden dürfen und auch erwähnt werden müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel (SPD) – Jutta Krellmann (DIE LINKE): Sie haben eine Große Koalition und kommen nicht voran!)
Wenn ich mir Ihren Antrag, den wir schon im November letzten Jahres beraten haben, anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass Sie die Arbeitswelt in Deutschland auf den Kopf stellen wollen. Sie möchten Zeitarbeit komplett verbieten und Werkverträge verhindern. Damit machen Sie sich nicht zum Sprachrohr junger Menschen,
(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Doch!)
sondern Sie wollen verkrustete Strukturen schaffen.
(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Stimmt doch nicht! – Weiterer Zuruf der Abg. Nicole Gohlke (DIE LINKE))
Unbefristete Arbeitsverhältnisse sollen die Regel sein. Ich sage Ihnen: Sie sind die Regel. Sie wollen dies nur nicht zur Kenntnis nehmen. –
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jutta Krellmann (DIE LINKE): Viel zu viele befristete für junge Leute!)
Hierzu verweise ich vor allen Dingen auf die Zahlen im Rahmen meiner letzten Rede. Ich möchte diese an dieser Stelle nicht wiederholen.
Ihr Antrag stellt daher einen Frontalangriff auf alle Flexibilisierungsinstrumente des deutschen Arbeitsmarktes dar. Es geht Ihnen weniger um die wirkliche Situation der jungen Beschäftigten. Im Gegenteil: Sie wollen die Menschen bewusst in die Irre führen, indem Sie flexible Beschäftigung zur prekären Beschäftigung erklären, was sie nicht ist. Ich empfehle Ihnen, Ihren Begriff der prekären Beschäftigung noch einmal zu überarbeiten. In Ihrem Antrag unterstellen Sie den Unternehmen Spaltungsversuche – was das genau bedeuten soll, schreiben Sie nicht – und Profitstreben. Damit möchten Sie in meinen Augen nur Panik verbreiten.
Ein schönes Beispiel: Gerade gestern wurden in Berlin die besten Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet. Hier haben die Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber bewertet. Stolz bin ich darauf, dass der zweitplatzierte Arbeitgeber in der Kategorie „50 bis 500 Arbeitnehmer“ das Alten- & Pflegeheim St. Gereon in Hückelhoven-Brachelen ist und damit aus meinem Wahlkreis kommt.
Ich erwähne das, um Ihnen aufzuzeigen, dass es auch andere Beispiele gibt, die Sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie möchten die Menschen glauben lassen, dass nur straff durchregulierte, vom Gesetzgeber in einem engen Korsett festgelegte Arbeitsverhältnisse zu einem erfolgreichen Arbeitsmarkt in Deutschland führen. Ein erfolgreicher Arbeitsmarkt, der eine Perspektive für junge und ältere Menschen bietet, benötigt aber dynamische und flexible Instrumente.
Die heutige Arbeitswelt ist vielschichtig. Die Entwicklung geht immer weiter in Richtung Spezialisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung. An dieser Stelle sind natürlich auch die Tarifpartner gefragt, da sie für ihren jeweiligen Bereich die Situation am besten einschätzen können. Der Gesetzgeber aber kann nur allgemeine Rahmenbedingungen schaffen. Änderungen sind stets mit Augenmaß vorzunehmen. Sie wollen jedoch genau die Flexibilisierungsinstrumente einschränken und beseitigen, die in der heutigen Arbeitswelt dringend erforderlich sind und auch eine starke Wirtschaft ausmachen.
Sie scheinen nicht verstanden zu haben, dass sich unsere Arbeitswelt verändert hat und auch weiterhin verändern wird. Sie scheinen auch nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass wir momentan die besten Arbeitsmarktzahlen haben. Circa 43 Millionen Erwerbstätige, circa 31 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse – das sind Rekordzahlen, Tendenz steigend.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Nein, ich möchte gerne fortfahren. – Auch das Lohnniveau steigt. Es gibt lediglich 2,91 Millionen Arbeitslose; natürlich sind das immer noch zu viele. Aber insgesamt ist die Lage sehr gut, und das nach der derzeitigen Rechtslage.
Unsere Nachbarstaaten in Europa schauen voller Anerkennung auf unser Land. Sie sprechen mit Bewunderung vom deutschen Arbeitswunder und orientieren sich an uns. Und dann kommen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren der Linken, und reden alles schlecht und wollen mit einem Kahlschlag insbesondere die gute Situation in Deutschland auf den Kopf stellen. Das ist nicht nachvollziehbar, und dafür fehlt mir, ehrlich gesagt, auch jedes Verständnis.
(Sybille Benning (CDU/CSU): Mir auch!)
Wir wollen allen Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben. Wir wollen ihnen Brücken in den Arbeitsmarkt bauen. Dafür brauchen wir Instrumente wie die Zeitarbeit und die Befristung. Die Zahlen, die ich bereits in der letzten Debatte ausführlich darlegte, belegen eindeutig die positiven Effekte.
Natürlich kann Missbrauch dieser Instrumente nicht akzeptiert werden. Mit der derzeitigen Rechtslage kann der Missbrauch allerdings verhindert werden. Hierzu bedarf es keiner Gesetzesverschärfung. Wir wollen einen erfolgreichen Arbeitsmarkt; denn davon profitieren alle Menschen. Das erreichen wir nicht, indem wir den Arbeitsmarkt in eine Zwangsjacke packen, aus der heraus er sich nicht weiterentwickeln kann.
Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit sich der Arbeitsmarkt zum Wohle aller positiv entwickeln kann. Die derzeitige erfolgreiche Situation darf daher auch nur mit Augenmaß und behutsam weiterentwickelt und verändert werden. Genau so werden wir mit unserem Koalitionspartner die weitere Entwicklung zum Wohle aller begleiten.
Wir wollen auf dem bisherigen erfolgreichen Weg bleiben, und Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Linken, wollen hier die Brechstange anlegen. Das akzeptieren wir nicht. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Die Kollegin Krellmann hat um eine Kurzintervention gebeten.
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
…..
Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Oellers, möchten Sie darauf antworten? – Dann bitte schön.
Wilfried Oellers (CDU/CSU): Das waren sehr viele Vorhaltungen auf einmal. Ich will zunächst vielleicht einmal ganz allgemein sagen: Schauen Sie sich bitte die Protokolle der letzten Debatten zu diesem Thema noch einmal an. In diesen Debatten habe ich manche Punkte etwas ausführlicher dargestellt.
(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Wir wollen uns das nicht auch noch anlesen!)
Wenn Sie davon sprechen, dass in den Betrieben, die Sie kennen, etwas nicht in Ordnung ist, dann darf ich auf das Beispiel von vorhin verweisen. Ich verschließe nicht die Augen davor, wenn es irgendwo Missstände gibt.
(Zuruf von der LINKEN: Echt?)
Ich erwähne aber auch stets, dass diese Missstände auch auf Basis der derzeitigen Rechtslage beseitigt bzw. bekämpft werden können. Sie müssten nur einmal auf die Tagesordnung gesetzt und gegebenenfalls gerichtlich entschieden werden. Das akzeptieren Sie nicht. – Ich sehe, dass Sie wieder tief Luft holen. Aber das ist nun einmal unser rechtsstaatliches System. Das müssen Sie bitte zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann (DIE LINKE): Das machen die Leute aber doch nicht, weil sie sich nicht trauen, weil sie Angst haben! Oh Mann!)
Darüber hinaus will ich deutlich sagen, dass wir vor Missständen sicherlich nicht die Augen verschließen. Ich bin in meinem Wahlkreis viel unterwegs und weiß, was da los ist. Ich weiß aber auch, dass es positive Beispiele gibt. Es wäre wünschenswert, wenn Sie das einfach einmal zur Kenntnis nehmen würden.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU)